nein, liebe Italienischversteher, ich habe noch immer nicht die italienische Staatsbürgerschaft. Cittadino bedeutet nicht nur „Bürger“, sondern auch „Städter“. Nach jahrelangen Experimenten habe ich nun endlich wieder den Weg zurück in die Großstadt gefunden. Noch dazu wieder eine, die mit B beginnt!
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Wie in Berlin, steht auch in Bologna ein Neptunbrunnen vor dem Rathaus |
Nach
den toskanischen Jahren, hatte ich in Cento endlich die angestrebte
wirtschaftliche Stabilität und Prosperität gefunden. Aber nach drei
Jahren war das kleine Cento nun wirklich ausgelutscht und es war
wieder mal Zeit für einen Tapetenwechsel. Schon seit längerer Zeit
spukte der Gedanke in meinem Kopf herum, wieder in eine Großstadt zu
ziehen. Und nachdem ich Bologna in immer häufigeren Besuchen nicht
nur kennen- sondern auch liebengelernt hatte, war die Entscheidung
nur folgerichtig, wieder einmal einen Umzug zu unternehmen. Rein
theoretisch gibt es in der Nähe von Cento noch zwei weitere
Alternativen, die mich allerdings nicht wirklich in ihren Bann ziehen
konnten: Ferrara und Modena.
Dieser
brandneue Song der Wiener Band „Wanda“ ist genau im richtigen
Moment erschienen, um meinen Umzug nach Bologna zu vertonen.
„Bologna, meine Stadt“ drückt ziemlich gut das Hochgefühl aus,
dass ich habe, seit ich in dieser tollen Stadt wohne.
Es
gab zwei Gründe, die mich für längere Zeit davon abgehalten
hatten, die Bologna-Idee auch umzusetzen: die höheren Kosten (die
Mieten in Bologna sind etwas höher und die Fahrtkosten machen sich
bemerkbar, zumal es in Italien keine Pendlerpauschale gibt) und der
längere Arbeitsweg (von meiner Wohnung in Cento brauchte ich zehn
Minuten zum Büro, jetzt ist es eine dreiviertel Stunde). Mit den
Kosten kann ich mich arrangieren und mit dem Arbeitsweg komme ich
auch klar. Die Sehnsucht nach den Möglichkeiten, die eine Großstadt
bietet, war letztendlich stärker und hat mich überzeugt, die
Nachteile in Kauf zu nehmen.
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Blick auf Bologna vom Torre Asinelli |
Nahezu
alle meine Bekannten in Cento zeigten sich hingegen entsetzt, dass
jemand den „weiten“ Weg nach Bologna (knapp über 30 km) täglich
beschreiten würde. Bis heute sind einige davon überzeugt, dass ich
das nicht auf Dauer durchhalten würde und schon bald reumütig
zurückkehren würde. Es ist doch erstaunlich, wie unterschiedlich
die Maßstäbe sind. Für mich waren die kurzen Wege in Cento in
meinem bisherigen Leben eher die Ausnahme, eine angenehme
zugegebenermaßen. Aber daher wusste ich, dass die Umstellung auf 45
Minuten Arbeitsweg kein Hindernis sein würde. Für viele Centesen
sind solche Arbeitswege offenbar sehr ungewöhnlich. Und für einige
ist es dazu noch unvorstellbar, in einer Großstadt, in einem
riesigen Moloch sozusagen, zu leben. Ein Bekannter erzählte mir
sogar, dass er auch einmal so eine Erfahrung gemacht hatte, aber mit
den vielen Menschen hielt er es auf Dauer nicht aus. Auf Nachfrage
kam dann raus, dass er noch nichtmal das Großstadtleben meinte,
sondern dass er mal in einem Mehrfamilienhaus gelebt hatte.
Das
Leben in Cento ist ja auch nicht schlecht, aber ich fand es auf Dauer
doch etwas langweilig. Die Menschen sind nett, haben aber leider
mitunter nur den Horizont von Kleinstädtern. Hinzu kommt, dass es
als Fremder schwierig ist, sich in ein Kleinstadtleben zu
integrieren, wo sich alle von kleinauf kennen. Ich könnte mich auch
noch über den kulturellen Niedergang nach dem Erdbeben auslassen:
das Theater ist geschlossen, der Karneval auf Eis gelegt und manchmal
scheint es, dass die lokale Dialektpflege zum kulturellen Höhepunkt
avanciert ist. Ok, jetzt wird es etwas ungerecht, die Stadt bemüht
sich durchaus, einige Sachen auf die Beine zu stellen. Aber es hilft
ja nichts: gegen die Großstadt hat die Kleinstadt für mich immer
das Nachsehen. Nach all den Jahres ist das mein persönliches Fazit.
Also Bologna. Mein Wunschziel. Endlich. Bologna hatte mich schon immer fasziniert. Als ich vor fast zwölf Jahren (oh mein Gott!) für mein Erasmusjahr nach Italien wollte, war Bologna meine erste Wahl. Voller Geschichte, aber dennoch jung, lebendig, offen. So stellte ich mir Bologna vor, ohne jemals dagewesen zu sein. Aufgrund verschiedener Umstände klappte es damals nicht mit Bologna und als Alternative fand ich dann den Weg nach Genua, was ja auch sehr schön war.
Also Bologna. Mein Wunschziel. Endlich. Bologna hatte mich schon immer fasziniert. Als ich vor fast zwölf Jahren (oh mein Gott!) für mein Erasmusjahr nach Italien wollte, war Bologna meine erste Wahl. Voller Geschichte, aber dennoch jung, lebendig, offen. So stellte ich mir Bologna vor, ohne jemals dagewesen zu sein. Aufgrund verschiedener Umstände klappte es damals nicht mit Bologna und als Alternative fand ich dann den Weg nach Genua, was ja auch sehr schön war.
Als
ich dann im Sommer 2010 bei einer bayerischen Firma zum
Vorstellungsgespräch zu Gast war und vom neuen Büro in Cento hörte,
fand ich vor allem die Nähe zu Bologna verlockend. So verlockend,
dass ich dann doch in Italien weitermachen wollte, denn eigentlich
stand damals schon die Rückkehr nach Berlin auf dem Programm. Einige
Wochen später war ich dann endlich zum ersten Mal in Bologna. Mit
meinen zukünftigen Chefs saß ich in einem teuren Restaurant, wo
Herr K., mein neuer Arbeitgeber, das Glas erhob und mich in der Firma willkommen
hieß. Herr K. übrigens weilte bei diesem wie bei allen anderen
Besuchen in einem Hotel in Bologna, nicht etwa in Cento.
Vorher
kannte ich Bologna eher aus Geschichtsbüchern: Heimat der ersten
Universität Europas (gegründet 1088), die erste Gemeinde, die 1256
die Leibeigenschaft aufgehoben hatte, Schauplatz von Italiens
schwerstem Terroranschlag (1980). Ich weiß nicht, wie ich zu meiner
Vorstellung kam, dass Bologna eine lebendige und offene Stadt sei,
aber ausgedacht hatte ich mir das sicher nicht. Vielleicht hatte ich
das in irgendwelchen Reportagen oder Erzählungen aufgeschnappt, aber
irgendwie hatte ich zu Bologna immer positive Assoziationen. Und ich
bin ja nicht der einzige. Italienweit hat Bologna den Ruf, eine
liberale, reiche, bürgernahe, linke, lebendige und lebenswerte Stadt
zu sein. Ein Beispiel: obwohl deutlich kleiner als Mailand und Rom,
ist Bologna die erste italienische Stadt, in der sich ein
schwullesbisches Leben entfalten konnte. Nach wie vor ist Bologna in
dieser Hinsicht bedeutend. Vor einigen Wochen beispielsweise fand das
Filmfestival GenderBender
statt. Einige Filmvorführungen habe ich auch besucht und falls Ihr
mal Lust auf Kino habt, kann ich Euch beispielsweise den
schweizerischen Beitrag „Der Kreis“ oder „Pride“ aus England
empfehlen.
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Anfang Oktober auf einer Demo gegen Homophobie |
Und
wo wir bei bewegten Bilder sind, kommt mir gleich noch eine andere
Erinnerung in den Sinn. Bologna war für mich auch immer die Stadt
des ispettore
Coliandro, dem Held einer erfrischend anderen Fernsehserie, die von
2004 bis 2010 produziert wurde und in Bologna spielte. Coliandro löst
seine Fälle immer mit viel Glück und trotz seines Unvermögens. Und
obwohl er niemals eine bella
figura
macht, ist er trotzdem und mit all seinen Schwächen ziemlich figo,
was man am ehesten mit cool übersetzen könnte. Da es Coliandro
niemals ins deutsche Fernsehen geschafft hat, werdet Ihr leider nicht
die Gelegenheit haben, meine Begeisterung für ihn zu verstehen. Auf
der anderen Seite werden hier stattdessen deutsche Perlen wie „Sturm
der Liebe“ oder „Alarm für Cobra 11“ zur Prime-Time gezeigt.
Was
soll ich sonst noch zu Bologna sagen? Erstaunlicherweise gehen die
Touristenströme an Bologna fast komplett vorbei. Dabei hat Bologna
alles, was ein Tourist suchen würde: eine wunderschöne Altstadt,
die auch noch zum großen Teil verkehrsberuhigt ist, eine
herausragende Küche, Nachtleben, Museen und schließlich die
allgegenwärtigen Arkaden, unter denen man auch bei Dauerregen oder
knallender Sonne entspannt shoppen kann. Aber mir soll's nur recht
sein. Sollen die Touristen nur alle Venedig und Florenz verstopfen,
umso entspannter lebt es sich in Bologna: letztes Jahr war Bologna
auf Platz drei im italienischen Lebensqualitätsvergleich, in einigen
Wochen müsste die neue Statistik herauskommen. Wir werden sehen, ob
sich meine Ankunft positiv oder negativ niederschlägt.
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Piazza Santo Stefano – hier verirren sich dann doch mal einige Touristen her |
Bologna
zieht statt der Touristen eher junge Leute aus ganz Italien an, die
zum Studium hierher kommen. Und dieser ständige Zufluss und Austauch
bereichert die Stadt nachhaltig und trägt dazu bei, dass in der
Stadt diese offene Atmosphäre herrscht. Ähnlich wie Berlin würde
ich sagen. Beide Städte profitieren sehr stark von den Zugezogenen.
In Bologna habe ich das Gefühl, ich würde sagen, zum ersten Mal
seit ich in Italien bin, nicht in erster Linie ein Ausländer zu
sein. Und vielleicht werde ich ja mit dieser neuen Erfahrung doch
noch darüber nachdenken, die Anträge einzureichen, um ein richtiger
cittadino
italiano zu
werden.
Saluti
Daniele
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