sabato 20 dicembre 2008

Buon natale!

Cari amici,

Einmal noch werde ich in der Toskana übernachten und dann geht es wieder mal auf nach Deutschland. Dabei bin ich gerade zwei Wochen in Cerreto gewesen. So langsam nehmen meine Dienstreisen nach Deutschland schon ziemlich drastische Ausmaße an. Meine Eltern sehen mich mittlerweile wohl öfter als meinen Bruder, der in Potsdam wohnt. Und morgen werde ich schon wieder vor Ihrer Tür stehen. Diesmal aber ganz privat.

Cruccolandia

Insgesamt drei Wochen weilte ich im November und Dezember in Deutschland und bin dabei ziemlich weit herum gekommen. Mit dem Mietauto fuhr ich 8000 Kilometer kreuz und quer durch die Republik und kenne nun fast alle deutschen Autobahnen. Von allen Bundesländern fehlte nur das Saarland auf meiner Reiseliste. Meine Reise begann am 15. November als ich mich bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg zum Flughafen gemacht habe. Was ich damals noch nicht wusste: meine Sonnenbrille hätte ich gleich in Italien lassen können, die nächsten drei Wochen in Deutschland habe ich sie nicht ein einziges Mal aufsetzen müssen.
Kaum in Deutschland angekommen, gingen auch schon die neuesten Hiobsbotschaften durch die Medien... zum Beispiel die neuesten Ergebnisse im Pisa-Test. Dass Berlin dabei nicht so berauschend abgeschnitten hat, hatte sich ja schon im Sommer bei meinem ganz persönlichen Pisa-Test abgezeichnet. Damals hatte mein Auto ja noch das pisanische Kürzel am Kennzeichen und an einer Berliner Tankstelle fragte mich der Tankwart, wo denn das Auto her käme. Da die heutigen Euro-Kennzeichen ja relativ leicht den entsprechenden Ländern zuzuordnen sind, erschien mir die Antwort „aus Italien“ etwas banal und ich sagte: „aus Pisa“. Der Tankwart hakte gleich nach: „Ach, und wo ist das?“ Erst jetzt rückte ich mit der Auflösung „in Italien“ heraus und der Tankwart hatte wieder was neues gelernt. Vermutlich wäre mir das bei den schlauen Sachsen nicht passiert.

Da fühlt man sich doch ziemlich fremd, obwohl man theoretisch ja in der Heimat ist.
Andere deutsche Merkwürdigkeiten sind mir auf dieser Reise nicht aufgefallen, mal abgesehen vielleicht von der Meldung aus dem Verkehrsfunk, dass bei Hannover ein Känguru eine Autobahn unsicher machte. Solche Sachen können ja mal vorkommen. Schockierend fand ich viel mehr, dass mir in einem Münchner Hotel aus lauter Unachtsamkeit ein „Grüß Gott“ rausgerutscht ist. Die Situation war aber auch etwas stressig, als mir eine Putzfrau auf dem Korridor ein „Grüß Gott“ zuwarf und ich, unter Zeitdruck zum Ausgang spurtend, einfach nicht Herr über meine Zunge war und den Gruß erwiderte.

Cerreto Guidi

Am 15. November war ich gerade in Lübeck gelandet als mein italienisches Handy mit einer mir unbekannten Nummer klingelte. Es war ein Gemeindepolizist, der just in diesem Moment in meinem cerretesischen Zuhause kontrollieren wollte, ob ich auch wirklich dort wohnen würde. In Italien ist es üblich, dass die Gemeindepolizei kontrolliert, ob die neuen Einwohner, die Ihren Hauptwohnsitz in die Gemeinde verlegen wollen, auch wirklich dort wohnen. Und ich hatte nun das Pech, gerade für drei Wochen nach Deutschland gefahren zu sein. Der Beamte meinte dann am Telefon, dann müsse ich den Antrag auf die residenza noch einmal neu stellen, wenn ich wieder zurückkäme.
Vor ungefähr zehn Tagen war ich dann wieder im ufficio anagrafe, um die entsprechenden Formulare neu auszufüllen. Zu meiner Überraschung teilte mir die Sachbearbeiterin die frohe Botschaft mit, dass meine residenza während meiner Abwesenheit dann doch anerkannt wurde. Immerhin hatte ich der Gemeindepolizei ja bereits vorher mitgeteilt, dass ich häufiger auf Dienstreise sein würde, hatte meine Nummer hinterlassen und war dann auch telefonisch erreichbar. Da habe man in dem Fall mal auf die Formalitäten verzichtet und die Bearbeitung zu einem ordentlichen Abschluss gebracht.
Dass sich die italienische Bürokratie dann doch mal so flexibel und bürgernah zeigen kann, hätte ich vorher nicht erwartet. Aber Cerreto Guidi hat mich eines besseren belehrt.

Cerreto Guidi im Winter. Im Hintergrund die Gipfel des Appenin. Rechts am Bildrand mein agriturismo.
Zugegebenermaßen ist das Foto hier etwas euphemistisch. Am Tag nach der Fotoaufnahme musste ich morgens den Eiskratzer suchen, die Scheiben meines Autos waren komplett vereist. Dafür war ich eigentlich nicht in die Toskana gezogen. In den folgenden Tagen war der Himmel eher grau und es regnete auch ziemlich viel. Die Katastrofenmeldungen aus anderen Teilen Italiens waren für mich allerdings genau so weit weg für Euch.
Erst dieses Wochenende, rechtzeitig zu meiner Heimreise, kam die Sonne wieder heraus, der Himmel ist strahlend blau und die Temperaturen gehen wieder auf die 15 Grad zu.

Leonardo da Cerreto Guidi

Wie der aufmerksame Leser weiß, arbeite ich in der Nachbargemeinde von Cerreto, in Vinci. Und eben dort habe ich vorhin wieder meinen neuen Hauswein gekauft.

Wein im Pappkarton: den Zapfhahn puhlt man aus der Packung und fixiert ihn dann an der vorgesehenen Stelle
Den Direktverkauf von Wein hatte ich ja schon in Pieve di Santa Luce getätigt. Es hat ja schon was, wenn man den Wein direkt beim Produzenten kaufen kann und der dann auch noch schmeckt! Das gleiche Glück wiederfährt mir jetzt auch wieder.
Der moderne Toskaner kauft für den Eigengebrauch den Wein nicht flaschenweise, sondern bringt im Idealfall gleich seinen eigenen Wasserkanister mit und lässt sich beim Direktverkauf seine dreißig Liter einfüllen. Für die eher unvorbereiteten Kunden wie mich besteht da die Möglichkeit, diesen wunderschönen Pappkarton mit eingebautem Plastikbeutel (auf italienisch: Bag-in-Box) zu erwerben. Er beinhaltet fünf Liter. Man kann den Wein natürlich auch in Flaschen erwerben, aber dann kostet er fast das Dreifache. Und da der Wein in Italien zu eigentlich jedem Essen auf den Tisch gehört, bietet diese Abfüllform eine Menge Sparpotenzial.
Die Weinfabrik mit angeschlossenem Direktverkauf befindet sich einige hundert Meter von meiner Firma entfernt und nennt sich Cantine Leonardo. Auch in diesem Fall erlauben es sich die vinciani einfach, sich diesen Leonardo anzueignen. Denn eigentlich kommt Leonardo da Vinci nicht aus Vinci, sondern aus Cerreto. Davon sind jedenfalls wir cerretesi überzeugt. P., unsere nette Empfangsdame, die mir meine Wohnung organisiert hatte, hat mir auch erklärt, warum Leonardo aus Cerreto stammt.
Im Mittelalter wurden uneheliche Kinder (und Leonardo war ein uneheliches Kind) nach dem Ortspatron benannt. In Italien und vermutlich auch in anderen katholischen Gegenden (fragt doch mal eure katholischen Bekannten, so ihr welche habt) haben alle Orte einen Patron, einen Heiligen, den sie bevorzugt verehren. Praktischerweise bedeutet das auch, dass dem Patron auch ein Feiertag gewidmet wird. Und deshalb hat jede italienische Gemeinde auch einen eigenen Feiertag. Der von Vinci, 22. November, fiel dieses Jahr leider auf einen Samstag. Aber damit man als berufstätiger Mensch nicht leer ausgeht, muss die Firma für „nicht genossene Feiertage“ einen Lohnausgleich zahlen. Nicht schlecht, oder?
Aber zurück zu Leonardo da Cerreto Guidi. Laut P.'s Informationen, deren Wahrheitsgehalt ich unterstreichen möchte, hatte Cerreto im Mittelalter den heiligen Leonhard, auf italienisch San Leonardo, als Ortspatron. Deshalb wurde der uneheliche Junge schließlich Leonardo genannt. Tatsächlich gibt es in Cerreto auch eine Pieve di San Leonardo, die schon mehr als 1000 Jahre besteht. Die Familie da Vinci trug Ihren Nachnamen auch schon vor Leonardos Geburt, die Ortsangabe hat also nichts zu sagen. Womit also zweifelsfrei geklärt ist, woher Leonardo eigentlich kommt. Würde er aus Vinci kommen, dann hätte er den ortsüblichen Patronsnamen bekommen und wäre nicht Leonardo genannt worden!
Und dennoch besitzt die Gemeinde Cerreto Guidi die Größe, der nach Vinci führenden Straße den Namen Via Leonardo da Vinci zu geben, statt nur Via Leonardo. Und die undankbaren vinciani tun was? Die gleiche Straße heißt auf vincianischem Gebiet Via Cerretana, wobei doch jeder weiß, dass das Adjektiv zu Cerreto cerretese heißt und nicht cerretano. Wir sagen ja auch nicht vincesi zu denen.
Wie ihr merkt, ich fühle mich schon ziemlich zu Hause hier in Cerreto Guidi. Wobei ich nicht verschweigen will, dass es auch unter den cerretesi ein paar Knallköppe gibt. Die Leser der ersten Stunde erinnern sich vielleicht noch an den Mussolini-Kalender, den ich vor fünf Jahren in einem Einkaufszentrum in Savona gesehen habe. Nun war es wieder so weit. Anfang November war ich an einem cerretesischen Zeitungskiosk, um eine Zeitschrift zu kaufen. Dabei sprang mir der Mussolini-Kalender für 2009 ins Auge. Ich fragte die Verkäuferin, ob der sich denn gut verkaufte. Ihre Antwort: „Der da ist der letzte.“

Finale

Weihnachten naht und auch in Cerreto ist man darauf vorbereit. Die auguri-Schrift über der Straße ist normalerweise auch beleuchtet. Von der Burg leuchtet eine Sternschnuppe und den Weihnachtsbaum seht ihr ja selbst. In der Mitte des Kreisverkehres hingegen ein Objekt moderner Kunst: eine dicke Frau... naja, wem's gefällt...
Bis heute habe ich nicht so recht verstanden, nach welchem Muster die Italiener Weihnachten feiern und die Geschenke austauchen. Manch einer am Abend des 24., manch einer mittags am 25. Dass sie sich Geschenke machen, ist sicher. Die hoffnunglos überfüllten Einkaufszentren sind in Italien genauso allgegenwärtig wie in Deutschland. Meine Kollegen meinten, dass hänge von der jeweiligen Familientradition ab, wann man Bescherung macht. Insofern fanden sie es typisch deutsch, dass man nördlich der Alpen so unflexibel auf den Abend des 24. festgelegt ist...
Wann, wo und wie auch immer Ihr Weihnachten feiern solltet... ich wünsche Euch ein frohes Fest und ein glückliches neues Jahr. Und da ich in Berlin bin, werde ich den einen oder anderen von Euch ja auch bald wiedersehen.

Buone feste e tanti auguri!
Daniele

domenica 5 ottobre 2008

FI come: che FIgata!

Cari amici,

In dem Moment, in dem ich anfing mir Sorgen zu machen, worüber ich schreiben könnte, um meine regelmäßigen Italienmails vollzukriegen, bin ich ja rechtzeitig arbeitslos geworden. Und wie Ihr fleißigen Leser Euch erinnern werdet, habe ich in meiner letzten Mail von meinem neuen Job und dem bevorstehenden Ortswechsel geschrieben. Und jetzt seid Ihr sicherlich ganz gespannt, wie es nun ausgegangen ist.

Unterschiede

Als erstes erzähle ich ein wenig von meiner Arbeit. In den letzten Monaten war ich bereits zu vier Dienstreisen nach Deutschland aufgebrochen und habe dabei Metropolen wie Köln, Hamburg oder München gesehen, aber auch in gottverlassenen Kaffs wie Bodenwerder, Twist, Melsungen oder Burgdorf genächtigt. Und so lerne ich sozusagen in italienischem Auftrag mein Vaterland ganz neu kennen. Am 21. Juli beispielsweise bin ich bei 12 Grad und Regen in Lübeck gelandet und habe am Flughafen einen Mietwagen mit Winterbereifung bekommen. In Diez/Lahn konnte ich in einem „italienischen“ Restaurant vom türkischen Kellner keinen Espresso bekommen. Mehrmals habe ich morgens um halb neun E-Mails abgerufen, die von meinen deutschen Kontakten um kurz nach sieben abgeschickt wurden. Wer so früh anfängt, hat natürlich auch früher Schluss: ab vier Uhr nachmittags ist es praktisch sinnlos, in deutschen Büros anzurufen. Da arbeiten wir Italiener noch zwei Stunden. Und weil dem Essen hier eine andere Bedeutung zugemessen wird, nimmt man sich auch mehr Zeit für die Mittagspause: meine dauert neunzig Minuten.
Und die Unterschiede hören ja hier nicht auf. Die Deutschen können manchmal schon ziemlich merkwürdig sein. So gab es einen älteren Herren aus der Nachbarschaft meiner Eltern, mit dem ich noch nie in meinem Leben ein Wort gewechselt habe. Beim Anblick meines kleinen Fiats meinte er aber ungefragt, mir jetzt unbedingt sagen zu müssen, dass ihm das Auto nicht gefalle und er es sich nicht gekauft hätte. Damit hatte er nun nicht nur seinen fehlenden Geschmack bewiesen, sondern auch, dass es um sein Taktgefühl nicht besser bestellt ist. So etwas (also sowohl, was den Geschmack betrifft als auch die Taktlosigkeit) würde einem mit einem Italiener nicht passieren.
Bei der Ankunft in Italien fallen anschließend die ständigen, kleinen, nervigen Unzulänglichkeiten auf, die es so gibt. Freitag vor einer Woche traf ich in Pisa aus Frankfurt kommend ein. Auf dem Flughafen wartete ich zusammen mit allen anderen Passagieren am Gepäckband auf meine Reisetasche. Der Monitor über dem Gepäckband zeigte ja auch Arrivo: Francoforte-Hahn an. Aber es tat sich nichts. Bis irgendwann einem auffiel, dass unser Gepäck an dem Band auflief, das für das Flugzeug aus Leeds vorgesehen war.
Und als ich dann endlich mein Auto im Parkhaus gefunden hatte, hatte ich zwei Ausfahrten zur Auswahl. Über beiden Schranken brannte eine grüne Lampe, die die Funktionstüchtigkeit bestätigen sollte. Als ich eine gewählt hatte, stand auf dem Display aber nur Fuori servizio (außer Dienst). Die andere Ausfahrt funktionierte und über die schlaglochreiche Superstrada FI-PI-LI konnte ich endlich nach Hause holpern.
So hat eben jedes Land seine Eigenheiten. Und am Ende lebe ich nach wie vor in Italien!

Cerreto Guidi

Gestern, am Samstag dem 4. Oktober, habe ich nun die letzten Sachen aus meiner alten Wohnung in Pieve di Santa Luce geholt, das Licht ausgemacht und meinem Vermieter die Schlüssel zur Wohnung übergeben. Bereits seit einer Woche lebe ich jetzt direkt in der Nähe meiner Arbeit in einem Ort namens Cerreto Guidi in der Provinz Florenz.
Wahrscheinlich bin ich der einzige Mensch, der je das gemacht hat, was sich die Väter der italienischen Euro-Autokennzeichen so schön ausgemalt haben: das alte Provinzkürzel wegkratzen und das neue aufkleben. Während mein Kennzeichen vorher ein PI für Pisa zierte, hat es jetzt ein florentinisches FI. Das ist schon irgendwie cooler. Als ob man sein brandenburgisches LDS oder P für ein Berliner B eintauschen würde!
Dass sich Livornesen und Pisaner nicht so richtig leiden können, habe ich ja schon vor über einem Jahr beschrieben, aber hinzu kommt, dass der Rest der Toskana die Pisaner auch merkwürdig findet. In den zwanziger Jahren waren die Einwohner von San Miniato erschüttert, als ihre Stadt der Provinz Florenz entrissen und der Provinz Pisa zugeschlagen wurde.
Ich habe nun den Pisanern den Rücken zugekehrt.

Das Entfernen des Provinzkürzels ist nicht einfach, deshalb habe ich das pisanische I einfach drangelassen
Cerreto Guidi liegt ungefähr fünf Kilometer von Vinci und von meiner Arbeit entfernt. Mit dem Fahrrad sind es nur zweieinhalb Kilometer, inklusive einem beträchtlichen Höhenunterschied von knapp einhundert Metern, der sich über einen ein Kilometer langen nicht asphaltierten, steinigen, schlaglochreichen und kurvigen Weg hinzieht. Ich bin die Strecke bereits einmal abgefahren und ziehe das Fahrrad nun als ernsthafte Alternative in Betracht, um zur Arbeit zu gelangen. Autofahren würde wieder das werden, was es früher in Berlin war: eine Sache, die man in der Freizeit tut und die dabei Spaß macht.

Die Skyline von Cerreto Guidi, von meinem Garten aus gesehen
In den letzten Tagen vor den großen Sommerferien, die die Italiener ja alle gemeinsam im August verbringen, hatte ich mich noch mit P., der Stimme an unserem Firmentelefon, angefreundet und dabei auch von meiner Absicht erzählt, früher oder später an einen Ort zu ziehen, der etwas näher an meiner Arbeit liegt als Pieve di Santa Luce. P. hatte gleich mehrere Ideen, wovon eine sich zu meinem Glück nicht gleich realisieren ließ. Sie wollte mir ein leerstehendes Appartement in Empoli vermitteln, dass dem Unternehmensgründer, also meinem obersten Arbeitgeber, gehört. Dieser war von der Idee auch recht angetan und nachdem der Realisierung dieser Idee scheinbar nichts mehr im Wege stand, sprach P. aus, was ich mir in diesem Moment auch gedacht hatte: „Daniel, was machen wir nun, wenn dir diese blöde Wohnung (questo cazzo di casa) nicht gefällt?“
Wie ich nun erfuhr, hätte ich als Nachbarn den Sohn des Chefs, seinesgleichen auch im Vorstand vertreten, gehabt. Mir wurde schon ein wenig mulmig, als ich mir mein neues Heim so ausmalte. Aber da anscheinend auch in der Familie der Firmeneigner, noch einige Bedenken das Projekt herauszögerten, stürzten sich P. und ich nun auf ihre erste Idee: der junge Mann, der ihr jeden Samstag die Eier bringt, hatte noch ein kleines bilocale in einem agriturismo in Cerreto Guidi und würde das möglicherweise vermieten. Da diese Wohnung aber nicht so richtig leer stand, musste sich P. nun irgendwie bemühen, die eine Zwischenmieterin, die diese Wohnung als geheimes Liebesnest nutzte, rauszukriegen. Also überredete sie S., den eierbringenden jungen Mann, doch dieser Dame begreiflich zu machen, dass er die Wohnung nun für länger vermieten wolle.
So geschah es auch irgendwie und ich weiß nicht wie genau. Aber auf jeden Fall hat jene Dame die Schlüssel ihres Liebesnests zurückgegeben und ich konnte mir die Wohnung ansehen. In der Firma darf nun aber niemand wissen, dass P. mir bei der Wohnungssuche behilflich war, denn die Dame, die sich nun um ihr Liebesnest gebracht sieht, arbeitet auch bei uns...
Alles klar?!?

Die drei Fenster links von der Ecke und die Tür rechts davon sind Teil meiner Wohnung, ebenso Rasen und Parkplatz

Finale

Der Umzug bringt ja auch einige Veränderungen mit sich. Ich habe mich der deutschen Grenze um ungefähr fünfzig Kilometer und eine Autostunde genähert und empfange nun auch das erste deutsche Fernsehprogramm. In meinem nagelneuen LCD-Fernseher, den ich mit meinen Eltern zum Schnäppchenpreis im Coop in Empoli erstanden habe. Dieser Fernseher ist aber nur ein Teil jener Hochtechnologie, die bei mir nun Einzug gehalten hat. Über das UMTS-Netz surfe ich nun mit einer anständigen Geschwindigkeit und zu erstaunlich geringen Kosten im Internet. Vodafone Italia machts möglich. Und auf die furchtbare Telecom bin ich damit nicht mehr angewiesen. Stattdessen bin ich nun Kunde von Skype und kann für lächerlich wenig Geld unbegrenzt in die europäischen Festnetze telefonieren. Einfach über Laptop und den Vodafone-USB-Stick, der mich mobil ins Internet bringt.

giovedì 26 giugno 2008

Daniele da Vinci

Cari amici,

Ja, ich schreibe wieder aus der Toskana. Wie bereits in der letzten Mail angedeutet, war in die Suche nach Arbeit bereits etwas Bewegung gekommen. Über die Ergebnisse werde ich Euch gleich unterrichten. Aber eins nach dem anderen.

Sommer

Fangen wir mit dem wichtigsten an: am vergangenen Wochenende, genauer gesagt am Samstag, dem offiziellen Sommeranfang, habe ich zum ersten Mal in diesem Jahr einen Sprung in den hauseigenen Pool gewagt. Nach all den Problemen habe ich das ja kaum noch zu hoffen gewagt. Letztes Jahr im Oktober begannen Bauarbeiten, die sowohl den Pool als auch die Parkplätze gegen die zunehmende Erdrutschgefahr stabilisieren sollten. Und wie das so ist, die Bauarbeiten liefen erst einmal ziemlich planlos ab, wurden immer mal wieder für Monate unterbrochen und am Ende stand die rechtzeitige Beendigung der Arbeiten rechtzeitig zum Saisonbeginn völlig in Frage. Meine aus Como kommende Nachbarin, die ich bereits in der letzten Mail erwähnt hatte, schob alles auf die toskanisch-phlegmatische Mentalität.
Aber am Ende, nachdem die Hauseigentümer mit dem Nichtbezahlen der Nebenkostenabrechnungen drohen mussten, hat die Verwalterin die Baufirma, die nie um Ausreden verlegen war, unter Druck gesetzt und so war dann in der ersten Juniwoche, rechtzeitig zum Saisonbeginn wenigstens der Pool fertig. Der Parkplatz muss erst mal warten, aber wirklich viele Autos parken hier eh seltener.
Das Problem war nun aber, dass der Juni bis letzte Woche kein wirklich schöner Monat war: Regen, Wolken, Wind... und Temperaturen irgendwo zwischen nicht-kalt und nicht-warm. Und dann kam vor einer Woche der Sommer.
Und zwar mit Macht. Tagsüber herrschen über 35 Grad, dazu eine erhöhte Luftfeuchtigkeit. Und so ist der Sprung in den Pool nach nur einer Woche Hitze keine wirkliche Erfrischung mehr. Mit über 30 Grad Wassertemperatur kann sich mein Pool schon bald als Terme di Santa Luce präsentieren, vom „kühlen Nass“ kann sicher nicht die Rede sein. Und da sich nun nach dem langen Winter aus der ganzen Toskana die Menschen an die Küsten begeben, um die Wochenenden am Strand zu verbringen, kann auch das erfrischendere Meer, wegen Überfüllung, momentan keine wirkliche Alternative sein.
Wenn ich in den Mittagspausen aus dem klimatisierten Büro komme, abends nach der Heimfahrt aus dem klimatisierten Auto steige und nachts den Kühlschrank nach kalten Getränken durchforste, dann fällt mir in diesen Momenten immer öfter der Text aus einem Lied von Daniele Silvestri ein: L’estate da noi non è mica un periodo felice, che il caldo ti toglie la pace. – Der Sommer bei uns macht einen sicher nicht glücklich, so raubt dir die Hitze den Frieden.

Er sieht zwar erfrischend aus, ist es aber kaum noch.

Arbeit

Nein, ich bin nicht mehr arbeitslos. Seit dem 12. Mai arbeite ich für einen Hersteller von Klebebändern. Als Nichtfachmann denkt man sich ja erst mal nichts weiter über so banale Produkte wie Klebebänder, aber in den letzten Wochen habe ich eine neue Welt entdeckt und schicke mich nun an, die deutschsprachigen Märkte mit italienischen Klebebändern zu überschwemmen. Tatsächlich werde ich bereits in der nächsten Woche meine erste Dienstreise nach Deutschland antreten und deutschen Großhändlern die Firma und ihre Produkte vorstellen. So kann’s kommen im Leben!
Im Ernst, es klingt erst einmal ziemlich merkwürdig, aber ich habe so langsam das Gefühl, wirklich eine Art Volltreffer mit dieser Arbeit gefunden zu haben. Die Firma ist perfekt organisiert, solide und seriös. Die Produkte, so weit ich das beurteilen kann, sind von guter Qualität und die Firma hat sich auf dem italienischen Markt in den letzten vier Jahrzehnten einen guten Ruf und eine marktführende Stellung erarbeitet. Gestern habe ich beispielsweise mit einem Gewebeklebeband rumgespielt und zu meiner Kollegin gesagt, dass die Entführer bestimmt immer diese Bänder nutzen würden, um die Münder ihrer Opfer zu verkleben. Sie fing an zu lachen und sagte dann, dass sie wirklich schon unsere Klebebänder im Telegiornale (Fernsehnachrichten) gesehen habe. Ob Tesa auch schon solche Publicity hatte?
Jedenfalls ist die Firma in ihrer näheren Umgebung neben einem Eis-Hersteller einer der größten Arbeitgeber. Und die Art und Weise meiner Einstellung spricht auch für die Firma. Das begann mit den Komplimenten, mit denen mich mein zukünftiger Chef beim Unterschreiben des Vertrages überhäuft hat und setzte sich mit einem genau ausgearbeiteten Einführungsprogramm fort, in dem ich in praktisch alle Bereiche der Firma Einblick gewinnen konnte. Bisher jedenfalls macht mir die Arbeit Spaß und ich fühl mich richtig gut in der neuen Firma. Dass ich alle paar Wochen nach Deutschland fahren muss, empfinde ich eher als Gewinn denn als Zwang. Und mit meinen Kollegen verstehe ich mich auch sehr gut. Im Moment ist noch nirgendwo der übliche stronzo del turno (Arschloch vom Dienst) zu sehen. Die Werft in Livorno war voll davon.
Nun fragt Ihr Euch sicherlich: „Und wo ist das nun? Wo hat das Unternehmen seinen Sitz?“ Auf Eure Frage würde ich mit „In der Geburtsstadt von Leonardo da Vinci“ antworten. An dieser Stelle beginnt ein Witz, der auf Eurem Unwissen aufbaut. Ihr würdet nämlich weiter fragen: „Und wo ist das?“ Und nun kommt die Pointe: „Na in Vinci!“ Hahaha!
Die Florentiner und Empolesen, und aus denen rekrutieren sich meine neuen Arbeitskollegen, sagen übrigens, dass die Einwohner Vincis, die Vincianer, nicht besonders helle seien. Die für diesen Ort vorgesehene Intelligenz wurde von Leonardo für einige Jahrhunderte im Voraus aufgebraucht. Ja ja, so sind sie die Toskaner, nie um einen flotten Spruch verlegen und dabei mindestens so sympathisch wie wir Berliner.
Mindestens neunzig Prozent meiner Kollegin kommen aus der direkten Umgebung und man hört ihnen das auch an. Es ist schwer zu beschreiben, aber das Florentinische unterscheidet sich deutlich vom Livornesischen, das ich bisher gewohnt war. Es ist weniger vulgär, obwohl natürlich auch die Florentiner nicht sparsam mit Kraftausdrücken umgehen. Hinzu kommen noch einige Feinheiten, die man einfach hören muss, die sich hier jetzt aber schwer erklären lassen.
Und neben ihrem sympathischen Dialekt, zeichnet meine Kollegen auch eine wirklich herzliche Freundlichkeit und eine bisher ungekannte Interessiertheit aus. So haben mich einige Kollegen beispielsweise vor den letzten EM-Spielen mit einem aufmunternden Forza Germania! (Deutschland vor!) in den Feierabend geschickt. Ein anderer Kollege hat mich sprachlos gemacht, als er mich fragte, ob ich seine beiden deutschen Lieblingsfilme kennen würde: Le vite degli altri (Das Leben der Anderen) und Good Bye Lenin! Wiederum andere Kollegen probieren an mir ihre versteckten Deutschkenntnisse aus lang zurückreichenden Schulzeiten aus: Mocktest du einen caffè?

Sind diese Farben Zufall? Diese Kodak-Werbung im italienischen Internet spricht von „neu definierter Perfektion“

Politik

Und da es in den letzten Monaten noch immer viel Erstaunen über die Wahl Berlusconis gegeben hat, werde ich nun doch noch mal versuchen, die Lage zu analysieren. Keine Angst, ich denke, ich kann es in wenige Sätze fassen.
In Italien gibt es drei Sorten Politiker. Es gibt einige wenige korrupte Politiker, es gibt einige wenige inkompetente Politiker und es gibt den großen Rest, der sowohl korrupt als auch inkompetent ist. Offenbar glauben zu viele italienische Wähler, dass die Chancen, einen kompetenten Politiker zu wählen, mit deren Korruptionsgrad ansteigen. Sie wählen sozusagen das vermeintlich kleinere Übel, in der Hoffnung wenigsten ein wenig Kompetenz zur Macht zu verhelfen. Das ist ein tragischer Irrtum. Wie ja bereits erwiesen wurde, hat sich Berlusconi in der Zeit von 2001 bis 2006 nicht dadurch hervorgetan, Italien irgendwie vorangebracht zu haben. Allerdings hat die Regierung Prodi während ihrer zwei Jahre nicht nur durch Inkompetenz, sondern eben auch durch Korruptionsfälle geglänzt, die zwar keine berlusconianischen Ausmaße erreicht haben, aber viele Leute dazu gebracht haben, dann doch gleich das Original zu wählen.
Auch in dieser Hinsicht kann ich aber mit Erfreuen auf meine Wahlheimat hinweisen. Die Toskana ist und bleibt eine der „roten“ Hochburgen Italiens.
Neue Erkenntnisse gibt es von der Medienfront. Nachdem ich ja in den letzten Berichten mehrfach über die Zahnlosigkeit italienischer Zeitungen geschrieben habe, muss ich nun konstatieren, dass das nur halb so schlimm ist. Denn so einfältig sind die Italiener nicht. Ich zitiere: „Alles mögliche denkt der italienische Leser. Eines denkt er nicht: dass ein Artikel unbesehen wahr ist, selbst wenn er wahr ist. [...] Vielmehr fragt er sich [...]: Wer hat ein Interesse daran? Und warum gerade jetzt?“ Diese Sätze stehen in dem 1998 erschienenen Buch „Geliebtes Chaos Italien“ von Dietmar Polaczek. Dieses Buch habe ich 2003 vor meinem Erasmusjahr in Genua gelesen. Vor kurzem habe ich es mit fünf Jahren Abstand und den Erfahrungen von drei Jahren Italien „netto“ noch einmal gelesen. Vieles, was dort beschrieben ist, kann ich diesmal mit dem Wissen des Kenners bestätigen. Und gerade in Sachen Mediengläubigkeit kann ich diese Einschätzung nach mehreren Gesprächen, auch mit den neuen Kollegen, nur bestätigen.
Vorgestern war ich abends mit einem meiner Nachbarn im Circolo (die Genossenschaftskneipe) von Pieve und wir haben uns über alles Mögliche unterhalten. Dabei kamen wir auch zu dem Thema. Mein Nachbar M. hat eben auch diese Einschätzung bestätigt. Man lerne schon als Kind in der Schule, dass man den Zeitungen nur bedingt glauben darf. Mit einer solch medienkritischen Erziehung wachsen italienische Schüler also auf. Wenn ich da an meine ersten Kontakte mit Zeitungen in der Schule zurückdenke, kommen mir da ganz andere Erinnerungen. In der dritten oder vierten Klasse bekamen wir im Heimatkundeunterricht die Aufgabe, eine Woche lang den Artikel links oben auf der Titelseite des "Neuen Deutschland" zu sammeln, in dem vom Generalsekretär die Rede war. Auf die naive Frage eines Schülers, was man tun solle, wenn Erich Honecker mal nicht auf der Titelseite zu sehen sei, antwortete Frau H., dass das nicht vorkäme, wir könnten ganz unbesorgt sein. Heutzutage frage ich mich, ob diese Antwort eine besonders subtile Ironie war oder einfach nur so dahin gesagt.

Finale

Der Titel der Mail lässt zwar glauben, ich sei in Vinci, aber das bin ich nur tagsüber, wenn ich im Büro bin. Ansonsten wohne ich nach wie vor in Pieve di Santa Luce. Nach letztem Stand noch bis Ende September. Ich will den Sommer noch mit Pool und Terrasse verbinden, anschließend werde ich mir ein neues Heim suchen. Der Arbeitsweg nach Vinci beträgt 60km einfache Strecke und dauert eine Stunde. Auf Dauer wird das für mich und mein Konto zu belastend.
Auf der einen Seite bin ich ja schon neugierig auf meine neue Wohnung, von der ich noch nicht mal weiß, wo sie genau sein wird. Denn Vinci ist teuer, also muss ich erst einmal sehen, wo ich am Ende landen werde. Und andererseits wird mir der Abschied von Pieve di Santa Luce schwer fallen. Erst heute hat mir der V., der Bauer von nebenan, ein wenig Obst aus seinem Garten vorbeigebracht. S. vom Lebensmittelladen wird mir auch fehlen, ihr kann ich immer die neuesten Papstwitze erzählen, deren beste Version leider nur auf italienisch funktioniert.
Die Versuche, in der unmittelbaren Umgebung Arbeit zu finden, sind leider erfolglos geblieben. Dabei hat einer der Dorfbewohner, mit dem ich in S. Laden gelegentlich ein Schwätzchen halte, in seiner Eigenschaft als Gemeinderatsmitglied versucht, mich bei einem deutschen Baustoffriesen unterzubringen, der in der Nachbargemeinde eine Niederlassung unterhält. Doch da liegt anscheinend das Problem: G. ist Gemeinderat in Santa Luce, der Baustoffriese muss sich nur die Leute aus der Gemeinde Castellina Marittima gefügig halten...
Überhaupt... Castellina Marittima... in der neuesten italienweiten Blitzerstatistik hat Santa Luce seinen Spitzenplatz in Sachen Pro-Kopf-Einkommen aus Strafzetteln verloren. Vor einem Jahr ungefähr habe ich Euch ja berichtet, wie Fernsehteams in meiner Gemeinde ihre Kameras aufgebaut haben, um aus Italiens blutsaugerischster Gemeinde zu berichten. Vor einigen Wochen hat mich ein Arbeitskollege, der die Gegend hier gut kennt, gefragt, wo ich wohne. Als ich „Santa Luce“ sagte, fragte er mich ganz vorwurfsvoll, ob ich wüsste, dass sich meine Gemeinde mit dem Geld der Autofahrer finanziere (in der letzten Statistik machten die Strafzettel das 3,26fache der normalen Gemeindeeinkünfte aus). Dieses Jahr waren die Nachbarn in Castellina pfiffiger, sie haben sich in der Statistik vor Santa Luce platziert. Und die anderen Nachbarn in Riparbella sind auch vorbeigezogen. Der Westen der Provinz Pisa ist definitiv eine Ecke, wo man sich als ortsunkundiger Autofahrer besser an die (absurd niedrigen) Tempolimits halten sollte.

Da es Unklarheiten gegeben hat: die Farbe von Himmel, Meer und Auto ist NICHT weiß
Ciao, ciao,
Daniel

martedì 22 aprile 2008

il cuore ha sempre ragione

Cari amici,

Nachdem wieder einige Monate vergangen sind, ist es an der Zeit, Euch wieder auf den neuesten Stand in Sachen „Italien und ich“ zu bringen. Eigentlich wollte ich ja erst wieder schreiben, wenn ein paar definitive Neuigkeiten zu vermelden sind, aber da die einfach nicht eintreten wollen, fülle ich diese Mail mit einem Cliffhanger, der Euch dann umso gespannter die nächste Folge erwarten lässt.

Arbeit

Einen Moment noch und ich vermelde somit die schlechte Nachricht, die zwar auch eine gewisse Dramatik enthält, aber hoffentlich nicht das Ende der Welt bedeutet. Bevor es aber gleich losgeht, kommt aber erst mal eine gute Nachricht. Die Kapitelüberschrift kann ja zweierlei bedeuten und in meinem Fall fasse ich darunter sowohl die Magisterarbeit als auch die Erwerbstätigkeit.Bereits im Sommer wollte ich ja meine Magisterarbeit fertig schreiben, aber wie das Leben so spielt... es ist Sommer, die Sonne scheint, der Pool ruft und die wenigen freien Momente nach der Arbeit wollten nicht nur am Computer verbracht werden. Wenigstens die Recherchearbeiten waren bis zum Sommerende weitgehend abgeschlossen. So kam der Herbst und er brachte ungewöhnlich viele Wochenendüberstunden. Und als ich mir dann noch vor Weihnachten ein paar Tage frei nehmen wollte, brach sich mein Kollege G. erst mal den Arm und meine Planungen waren wiederum über den Haufen geworfen. Irgendwie habe ich es dann dennoch über den Jahreswechsel geschafft. Die Magisterarbeit wurde fertig. Und eine große Last, die zwar aufgrund eines interessanten Themas (Die deutsche Einheit im Spiegel der italienischen Presse, das Beispiel il manifesto) auch durchaus ein wenig Lust war, brach weg und mein weiterer Lebensweg war nun frei. Mittlerweile wurde die Arbeit auch bewertet und für „gut und überzeugend“ befunden. Und mein Abschlusszeugnis liegt in Kürze zur Abholung bereit.
Nun, dachte ich, jetzt kann ich mich nun auch völlig legitim von allen als „Dottor H.“ betiteln lassen (zur Erinnerung: ein Abschluss berechtigt in Italien grundsätzlich zum Führen eines Titels wie Dottore oder Ingegnere). Aber wie immer, musste ja auch nun wieder irgendein Problem auftreten, damit es einem auch ja nicht zu gut geht.

Schön sind sie ja schon, die Yachten. Auf der Wind haben G. und ich aber viel federn lassen.
Eine Woche nach Abgabe der Magisterarbeit brach zwischen meinem Arbeitgeber und der Werftleitung der große Streit aus, der letztendlich das Ende des Auftrages und das Aus der Arbeiten in Livorno zur Folge hatte. Von einem Tag auf den anderen saß ich nun zu Hause, für einen Monat bekam ich noch Gehalt und Schluss. Nachdem ich Anfang Februar noch mal kurz in Berlin war, um einige Angelegenheiten zu regeln, sitze ich nun seit Mitte Februar in der Toskana und warte darauf, dass die Tage vergehen und etwas passiert. In letzter Zeit scheint nun endlich auch etwas Bewegung in meine unzähligen Bewerbungen zu kommen, aber ob dabei nun wirklich etwas Handfestes herauskommt, ist noch nicht wirklich abzusehen.
Besonders verzweifelt war ich auch nicht direkt über den Verlust des Arbeitsplatzes. Das Ambiente war als Erfahrung sehr interessant, aber den Rest meines Lebens wollte ich dort auch nicht bewältigen. Da ich ja nun praktisch schon den Abschluss in der Tasche hatte, war ich auch bisher ganz optimistisch, relativ schnell etwas Neues zu finden. Wechseln wollte ich ohnehin, nur das Timing hätte ich sicher besser hingekriegt, wenn es an mir gelegen hätte.

Chaos und Inkompetenz waren auf der Werft nie weit: hier ein umgestürztes Kranfahrzeug

Auto

Nachdem wir nun das schlimme Thema abgehandelt haben, habe ich aber wieder eine sehr schöne Nachricht zu verbreiten. Anfang Februar war ich nämlich in Berlin, um erstens den 60. Geburtstag meiner Mutter zu feiern und zweitens mein Auto zu verkaufen. Aufgrund der italienischen Bürokratie (ich könnte darüber mal ein Kapitel schreiben, aber ihr würdet es ja doch nicht verstehen... man muss es erleben) ist es deutlich einfacher und vor allem billiger, ein in Deutschland angemeldetes Auto wieder nach Deutschland zu bringen und dort zu verkaufen, als es umzumelden und dann in Italien zu verkaufen... Vereintes Europa, wo hast du dich versteckt?
Letztes Jahr gab es im italienischen Fernsehen einen wunderschönen Fernsehspot von Alfa Romeo, in dem das Modell 159 mit dem Spruch beworben wurde „il cuore ha sempre ragione“- „Das Herz hat immer Recht“. Nun könnten Spötter sagen, dass die Vernunft offenbar gegen Alfa Romeo spricht, aber auch ich folge diesem Motto gern. Ich habe diesen Slogan ja schon gelebt, bevor Alfa ihn publiziert hat. Wäre ich sonst in Italien? Also habe ich auch beim Autokauf das Herz vor den Verstand gesetzt, obwohl mein neues Auto nicht nur schön, sondern auch komfortabel, sicher, luxuriös und vor allem sehr sparsam im Verbrauch ist.
Letzteres Attribut kann man Alfas nur schwerlich zusprechen, ich habe also Alfas Spruch im Kopf gehabt, aber es auf ein anderes Auto bezogen. Und welches das ist, ist für die fleißigen Leser unter Euch auch sicher nicht schwer zu erraten, ich habe es Euch ja schon letztes Jahr vorgestellt.

Schick von außen...
... und vor allem von innen!
Natürlich ist es ein Fiat 500 geworden. Was auch sonst? Bereits im November hatte ich ihn bestellt. Aus 12 Farben, 14 Innenraumdesigns, 9 Felgentypen, 3 Dachversionen und einer Unzahl von Extras galt es, ein Auto zusammenzustellen, dass einzigartig sein sollte. Fiat hat ausgerechnet, dass es mehr als 500.000 (die Zahl ist sicher kein Zufall) Möglichkeiten gibt, den 500 zu konstruieren. Großes Glück hatte ich trotz meiner sehr individuellen Konfiguration, dass ich lediglich drei Monate auf meinen 500 warten musste. Angekündigt waren fünf, manch einer wartet auf das Auto länger als auf ein Kind. Vielleicht hat Fiat im Juli auch deshalb Welcome Bambina auf die Werbung zur Präsentation des 500 geschrieben.
Die Leute aus meinem Dorf waren alle sehr angetan von meinem neuen Wägelchen, merkwürdig fanden sie lediglich, dass ich als Deutscher eine kleine italienische Trikolore auf dem Kotflügel kleben habe. Ich finde, sie hat Stil. So wie das ganze Auto. Und obwohl es natürlich technisch auf dem neuesten Stand ist, gibt es viele Designelemente, die an den alten, kleinen Fiat 500 erinnern. Und vor wenigen Tagen bin ich so einem begegnet.


Es wahr purer Zufall, als ich am Sonntag in der Nähe des Cisa-Passes zwischen Parma und La Spezia den Kleinen gesehen habe. Sofort habe ich angehalten, um ein paar Fotos zu schießen. Ganz neugierig, was da vor sich geht, hat die Dame des Hauses hervorgelugt und gleich die ganze Familie dazugeholt. Der Besitzer schließlich hat mir sein Auto gezeigt und mir einiges dazu erklärt. Von 1964 ist der Kleine und ist, wie man sieht, in einem perfekten Zustand. Ob mein 500 im Jahr 2052 auch noch so gut dasteht?


Der Kleine hat sogar noch sein altes, originales, schwarzes Kennzeichen. Die werden schon seit Jahrzehnten nicht mehr ausgegeben. Und damit er authentischer ist, hat auch mein 500 ein italienisches Kennzeichen. Komplett mit Provinzkürzel für Pisa... ich würde ja gern hier bleiben.

Politik


Und als Ausgleich zu schönen Autos, kommt auch in dieser Mail ein kleiner Abschnitt über die hässlichen Seiten italienischer Politik. Zu den Wahlen will ich nichts weiter sagen. Lediglich, dass das Ergebnis, aufgrund der schwachen Bilanz von Prodi auf fast allen Gebieten, nicht weiter verwunderlich ist.In der letzten Mail hatte ich Euch ja von Salvatore Cuffaro erzählt, der nach einer erstinstanzlichen Verurteilung vom Amt des sizilianischen Regionspräsidenten zurücktreten musste. Man muss sich um ihn aber keine Sorgen machen. Als einer von lediglich drei Senatoren wird er die katholische Zentrumspartei UDC in Rom, in der zweiten Kammer des italienischen Parlaments, vertreten. Aus seiner Partei kamen nicht umsonst zahlreiche Solidaritätsbekundungen nach seiner Verurteilung. Als der Komiker Beppe Grillo letztes Jahr seinen Vaffanculo-Day abhielt, verband er das mit dem Ziel, ein sauberes Parlament zu schaffen, es von Leuten zu befreien, die ernsthafte Probleme mit dem Gesetz haben. Immerhin hat sich die Zahl derjenigen nach den Wahlen von 100 auf 70 (letztinstanzlich Verurteilte waren es 25, jetzt 16, die anderen wurden vor allem durch Verjährungen vor definitiven Urteilen gerettet beziehungsweise die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen) reduziert. In der Hymne zu Grillos V-Day heißt es „Voi siete uno su cinque, noi siamo più di un milione” (Ihr seid einer von fünf, wir sind mehr als eine Million). Denn im alten Parlament war das Verhältnis von Verurteilten zu juristisch unbescholtenen Abgeordneten eben eins zu fünf. Meist ging es um Korruption, Bestechung, mafiöse Verwicklungen. Und in der derzeitigen Parteienlandschaft ist Cuffaros UDC führend in der Verurteilten-Dichte. Ein besonders schönes Beispiel über das Verhältnis der UDC zur Legalität und vor allem zum Anstand, ist jenes von Cosimo Mele. Dieser UDC-Abgeordnete hatte letztes Jahr im Sommer ein kleines Fest, man kann auch Orgie sagen, mit einigen Prostituierten in einem römischen Luxushotel gefeiert. Leider flog die ganze Sache dann auf, als eine der Prostituierten wegen einer Kokain-Überdosis ins Krankenhaus gebracht werden musste. Nun möge man denken, das so etwas überall passieren würde. Richtig. Aber in Italien hat Mele seinen Parlamentssitz nicht aufgeben müssen, es brauchte die Neuwahl, um ihn loszuwerden. Und viel skandalöser als Meles Kokain-Orgie (jeder braucht halt seinen Spaß) ist, was danach Lorenzo Cesa, Generalsekretär der UDC, verlautbart hat. Die Abgeordneten (die Bestbezahlten Europas) bräuchten eine deutliche Anhebung der Bezüge, damit sie auch ihre Familien nach Rom kommen lassen könnten. Man würde ja als Abgeordneter völlig vereinsamen. Eine Partei, die bei jeder Gelegenheit ihre katholischen Werte hochhält, kann in Italien mit solchen Worten die Skandälchen ihrer Abgeordneten rechtfertigen und wird dennoch wiedergewählt.
Vielleicht kann ja ein neuer V-Day, der am kommenden Samstag, dem 25. April, von Beppe Grillo veranstaltet wird, ein bisschen Bewegung in die italienische Politik bringen. Diesmal will er allerdings nicht auf die Verurteilten im Parlament hinweisen, sondern auf die Gleichschaltung der italienischen Medien.

Währenddessen will Berlusconi eine Justizreform in Angriff nehmen. Tatsächlich hätte das Land diese bitter nötig. Prozesse ziehen sich teilweise über Jahrzehnte in die Länge und gefährden letztlich die Rechtssicherheit. Vor einiger Zeit musste ein sizilianischer Mafiaboss aus dem Gefängnis entlassen werden, weil es der Richter in acht Jahren nicht geschafft hatte, eine Urteilsbegründung zu verfassen. Die Sorge ist allerdings, dass man doch eher den Bock zum Gärtner macht, wenn man Berlusconi eine Justizreform machen lassen will.

Finale

Frühling am Comer See, ein Blick von der Villa Monastero in Varenna
Letztes Wochenende war ich bei meinem alten Studienfreund M. in Gorgonzola, da kommt der leckere Käse her. Das ist in der Nähe von Mailand und gemeinsam haben wir dann einen Ausflug an den Comer See gemacht. Wie man auf dem Bild sehen kann, gibt es also auch im hohen Norden Italiens schöne Ecken. Und nachdem mir eine Nachbarin, die nur urlaubsmäßig alle paar Monate in die Toskana kommt, von der boomenden Wirtschaft in Mailand und Umgebung erzählt hat, bin ich nun am Überlegen, ob ich nicht auch dort mein Glück versuchen sollte. Sie findet die Toskana zwar auch sehr schön, wundert sich aber nicht, dass die Arbeitssuche hier schwer ist. Die Leute seien alle so „flegmatisch“ in der Toskana...
Von wo aus ich Euch das nächste Mal schreiben werde, ist daher überhaupt noch nicht abzusehen. Ob aus Pieve di Santa Luce, Bologna, Verona, Mailand oder Berlin... lasst Euch überraschen, so wie ich. Das Herz sagt Toskana und es mag zwar immer Recht haben, aber wo es mich am Ende hinverschlägt, weiß ich selbst noch nicht.

Ciao ciao,

Daniel

domenica 27 gennaio 2008

ma è tutto vero

Cari amici,

Euch allen ein frohes neues Jahr. Wieder einmal ist der Zeitpunkt einer Mail gekommen. In der letzten Mail habe ich versucht, Euch einen Einblick in die Abgründe der italienischen Politik zu verschaffen und auch dieses Mal werde ich Euch mit einer kleinen, politischen Anekdote versorgen. Allerdings werde ich Euch auch ein paar andere Geschichten erzählen, sonst würdet Ihr mich ja bald fragen müssen, warum man in einem solchen Land nicht längst verzweifelt ist.
Natürlich ist man gelegentlich verzweifelt. Die Müllkrise und ihr Widerhall in der internationalen Presse hat die italienische Regierung dazu bewogen, ein weiteres Mal das Problem „endgültig“ zu lösen. Die Schande sollte getilgt werden. Vielleicht würde sich die italienische Politik ja auch der Korruption in Ihren Reihen widmen, die kafkaeske Bürokratie eindämmen, den Steuerdruck lindern und das offensichtliche Missverhältnis zwischen niedrigen Gehältern und hohen Lebenshaltungskosten angehen, wenn sich die internationale Presse mal diesen Notständen widmen würde? Vermutlich nicht. Italienische Politiker können ganz schnell beleidigt reagieren, wenn aus dem Ausland Kritik kommt. Und Berlusconi, der wohl bald wieder die Macht übernehmen wird, wenn nicht ein Wunder geschieht, hat in dieser Hinsicht ein besonders dickes Fell.

Salvatore Cuffaro

Salvatore Cuffaro, genannt Totò, ist, beziehungsweise war, sizilianischer Regionspräsident. In dieser Eigenschaft sitzt er auch an der Quelle polizeilicher Informationen im Kampf gegen die Mafia. Vor kurzem stand er vor Gericht. Vorgeworfen wurde ihm die Herausgabe wichtiger Informationen an die Mafia. Acht Jahre Haft drohten ihm. Er selbst ging siegessicher in den Prozess und erklärte, dass er sofort zurücktreten würde, wenn er wegen der Vorwürfe verurteilt würde. Der informierte Leser fragt sich nun, warum er dann noch zurücktreten müsse, sein politisches Ende wäre doch sicher mit einem Urteil klar zu erwarten. Nein, nicht so in Italien. Hier gilt ein Angeklagter, vor allem wenn er ein Politiker ist, so lange als unschuldig, bis er in der letzten Instanz verurteilt wird. Insofern war Cuffaros Ankündigung ein Zeichen seines Respekts vor der Justiz und dem Volk. Theoretisch. So weit kam es dann ja doch nicht.
Cuffaro wurde am 18. Januar verurteilt. Die Begünstigung der Mafia konnte ihm jedoch nicht bewiesen werden. Er wurde lediglich zu fünf Jahren Haft für Begünstigung einzelner Personen verurteilt, dessen Mafia-Verbindungen ihm unbekannt gewesen seien, oder zumindest war ihm nicht nachzuweisen, dass er über deren Verbindungen bescheid wusste. Konkret ging es darum, dass er Informationen über Abhöraktionen an „Freunde“ weitergab.
Der interessante Teil kommt aber erst jetzt: Cuffaro ging strahlend aus dem Prozess und erklärte, dass er nun guten Gewissens seine Arbeit für sein geliebtes Sizilien fortsetzen würde, denn er wurde ja nun höchstrichterlich von Mafiaverbindungen freigesprochen. Die kleine Strafe von fünf Jahren würde nun in den nächsten Instanzen auch noch fallen. (Oder aber verjähren, in Italien laufen die Verjährungsfristen auch während der Prozesse weiter, bis kein endgültiges Urteil gefällt wurde. Auf diese Weise konnte bereits Berlusconi mehrere Urteile gegen ihn verhindern.)
Cuffaros Triumphzug wurde unterstützt von Solidaritätserklärungen führender Politiker der bürgerlichen Parteien. Bei Berlusconi war eine solche Erklärung zum Schutze des von „kommunistischen“ Richtern verfolgten Cuffaro ja auch zu erwarten. Erstaunlich fand ich eher, dass sich auch der gemäßigte UDC(eine christdemokratische Partei)-Chef Pierferdinando Casini hinter Cuffaro stelle und ihm zu seiner als Freispruch empfundenen Haftstrafe beglückwünschte. Erst durch die empörten Reaktionen der Öffentlichkeit sah sich Cuffaro am 26. Januar, nach über einer Woche, genötigt, seinen Rücktritt zu erklären.

L’Italia di Piero

Italien ist eben kein normales Land. Darum liebe ich es ja auch so sehr. Aber manchmal wäre ein bisschen Normalität durchaus wünschenswert. Nun ja, man kann nicht alles haben.
Rechts der übersetzte Text eines Liedes, dass im letzten Frühling in Italien erschienen ist und von einem Sänger namens Simone Cristicchi stammt. L’Italia di Piero beschreibt in einer sehr schönen Form dieses merkwürdige Land. Es beginnt mit einem Marsch der italienischen Bersaglieri-Elitetruppe und geht schließlich über in das Lied. Die ganzen Anspielungen muss man nicht kennen, ein klein wenig Recherchearbeit war auch für mich notwendig, aber einiges brachte mich schon vorher zum Schmunzeln. Einfach auf den Text klicken.



Pieve di Santa Luce

Schön ist nicht nur Italien, sondern auch Pieve di Santa Luce, das Dorf in dem ich wohne. Und noch schöner ist die Umgebung, die Toskana. Daher mal ein kurzes Kapitel über meine Heimat. Google hat nun auch mal wieder seine Maps aufgefrischt und siehe da, jetzt kann man sogar mein kleines Dörfchen erkennen.


La Pieve ist die Kirche, die dem Dorf, dass sich zu ihren Füßen entwickelt hat, seinen Namen gibt. Wörtlich übersetzt heißt das Dorf „Pfarrei des heiligen Lichts“. Im Ortszentrum sehen wir sonst noch den Circolo, das ist eine Art Genossenschaftskneipe, wo (theoretisch) nur Mitglieder der entsprechenden Genossenschaft konsumieren können. Die Getränke sind dort sehr günstig, die Betreiber, seit kurzem wurde der Circolo von einem schwäbischen Ehepaar übernommen, verdienen daran, weil sie im Gegensatz zu normalen Kneipen von Steuerzahlungen befreit sind. Im Fall von Pieve di Santa Luce ist die Genossenschaft eine katholische Organisation, normalerweise ist die Toskana eher kommunistisch geprägt. In Rosignano, einem kleinen Städtchen in der Nähe, habe ich neulich eine Via Enrico Berlinguer gesehen. Berlinguer war Chef der kommunistischen Partei Italiens in den siebziger und frühen achtziger Jahren. Nach ihm sind hier viele Straßen benannt. In Rosignano war das besondere, dass die Straße vorher nach Antonio Gramsci benannt war, einem der Gründer der KP. Das ist, als wenn man irgendwo in Brandenburg in einigen Jahren eine Karl-Liebknecht- oder Ernst-Thälmann-Straße in Gregor-Gysi-Straße umbenennen würde.
Und eher links sind die Leute auch in Pieve. Als ich mich im Lebensmittelladen einmal abfällig über den Papst geäußert habe, habe ich von S., der Besitzerin, und ihrer Mutter nur Zustimmung geerntet. Seitdem wir nämlich Papst sind, wird einem Deutschen das auch von manch liberalen Italienern (ja, so was gibt es!) vorgehalten. S. meinte hingegen, die Deutschen seien im Gegensatz zu den Italienern alle so weltoffen, das würde man ja auch an mir sehen. Ich habe ihr dann halb zugestimmt, aber gemeint, dass es auch verbohrte Deutsche gibt. Den am wenigsten offenen Deutschen hätten wir aber nach Rom geschickt, um dort den Papst zu geben. Die Bemerkung hätte ja auch ins Auge gehen können, aber S. hat laut gelacht und meinen tollen Witz gleich den anderen Leuten erzählt, die anschließend in den Laden kamen. Puuh... noch mal gut gegangen!
Übrigens habe ich S. dann auch aus Deutschland ein Pfefferkuchenhaus mitgebracht, hier hält sich ja nach wie vor die Legende von Hänsel und Gretels Marzipanhaus. Ihr werdet Euch sicherlich an diese Geschichte erinnern. S. hat sich jedenfalls sehr über mein Mitbringsel gefreut. Außerdem ist S. immer ein zuverlässiger Brötchenlieferant. Die brauche ich nämlich für T., der voll auf deutsches Frühstücken abfährt.
Und bevor ich mit dieser E-Mail fertig bin, schicke ich Euch noch ein paar Eindrücke von einem toskanischen Winter.

Samstag, 10. November, in Florenz. Sonnenschein und 18 Grad
Blicke von der SS1, der Via Aurelia, südlich von Livorno. 24. Januar, 14 Grad
Die längste Zypressenallee Italiens
Und hier endet die Zypressenallee, in Bolgheri (LI): 26. Januar und 16 Grad

Finale

Mit diesen Bildern will ich Euch nicht neidisch machen. Aber es war wohl mal wieder an der Zeit, etwas Positives über Italien zu vermelden. Und die neapolitanische Müllkrise hat auf die Toskana keine Auswirkungen gehabt. Zur Müllkrise übrigens noch ein Tipp. Wer gerne Büffelmozzarella aus Kampanien isst, sollte sich darüber im klaren sein, dass die Büffel teilweise auf verseuchten Feldern weiden, unter denen hochgiftige Abfälle illegal vergraben wurden. Oder einfach nicht dran denken und das gute Stück genießen. Wenn ich in Berlin bin, lasse ich mir ja schließlich auch die Döner schmecken, obwohl die diversen Gammelfleischskandale mich eines Besseren belehren sollten.

Ciao ciao,

Daniel