sabato 20 dicembre 2008

Buon natale!

Cari amici,

Einmal noch werde ich in der Toskana übernachten und dann geht es wieder mal auf nach Deutschland. Dabei bin ich gerade zwei Wochen in Cerreto gewesen. So langsam nehmen meine Dienstreisen nach Deutschland schon ziemlich drastische Ausmaße an. Meine Eltern sehen mich mittlerweile wohl öfter als meinen Bruder, der in Potsdam wohnt. Und morgen werde ich schon wieder vor Ihrer Tür stehen. Diesmal aber ganz privat.

Cruccolandia

Insgesamt drei Wochen weilte ich im November und Dezember in Deutschland und bin dabei ziemlich weit herum gekommen. Mit dem Mietauto fuhr ich 8000 Kilometer kreuz und quer durch die Republik und kenne nun fast alle deutschen Autobahnen. Von allen Bundesländern fehlte nur das Saarland auf meiner Reiseliste. Meine Reise begann am 15. November als ich mich bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg zum Flughafen gemacht habe. Was ich damals noch nicht wusste: meine Sonnenbrille hätte ich gleich in Italien lassen können, die nächsten drei Wochen in Deutschland habe ich sie nicht ein einziges Mal aufsetzen müssen.
Kaum in Deutschland angekommen, gingen auch schon die neuesten Hiobsbotschaften durch die Medien... zum Beispiel die neuesten Ergebnisse im Pisa-Test. Dass Berlin dabei nicht so berauschend abgeschnitten hat, hatte sich ja schon im Sommer bei meinem ganz persönlichen Pisa-Test abgezeichnet. Damals hatte mein Auto ja noch das pisanische Kürzel am Kennzeichen und an einer Berliner Tankstelle fragte mich der Tankwart, wo denn das Auto her käme. Da die heutigen Euro-Kennzeichen ja relativ leicht den entsprechenden Ländern zuzuordnen sind, erschien mir die Antwort „aus Italien“ etwas banal und ich sagte: „aus Pisa“. Der Tankwart hakte gleich nach: „Ach, und wo ist das?“ Erst jetzt rückte ich mit der Auflösung „in Italien“ heraus und der Tankwart hatte wieder was neues gelernt. Vermutlich wäre mir das bei den schlauen Sachsen nicht passiert.

Da fühlt man sich doch ziemlich fremd, obwohl man theoretisch ja in der Heimat ist.
Andere deutsche Merkwürdigkeiten sind mir auf dieser Reise nicht aufgefallen, mal abgesehen vielleicht von der Meldung aus dem Verkehrsfunk, dass bei Hannover ein Känguru eine Autobahn unsicher machte. Solche Sachen können ja mal vorkommen. Schockierend fand ich viel mehr, dass mir in einem Münchner Hotel aus lauter Unachtsamkeit ein „Grüß Gott“ rausgerutscht ist. Die Situation war aber auch etwas stressig, als mir eine Putzfrau auf dem Korridor ein „Grüß Gott“ zuwarf und ich, unter Zeitdruck zum Ausgang spurtend, einfach nicht Herr über meine Zunge war und den Gruß erwiderte.

Cerreto Guidi

Am 15. November war ich gerade in Lübeck gelandet als mein italienisches Handy mit einer mir unbekannten Nummer klingelte. Es war ein Gemeindepolizist, der just in diesem Moment in meinem cerretesischen Zuhause kontrollieren wollte, ob ich auch wirklich dort wohnen würde. In Italien ist es üblich, dass die Gemeindepolizei kontrolliert, ob die neuen Einwohner, die Ihren Hauptwohnsitz in die Gemeinde verlegen wollen, auch wirklich dort wohnen. Und ich hatte nun das Pech, gerade für drei Wochen nach Deutschland gefahren zu sein. Der Beamte meinte dann am Telefon, dann müsse ich den Antrag auf die residenza noch einmal neu stellen, wenn ich wieder zurückkäme.
Vor ungefähr zehn Tagen war ich dann wieder im ufficio anagrafe, um die entsprechenden Formulare neu auszufüllen. Zu meiner Überraschung teilte mir die Sachbearbeiterin die frohe Botschaft mit, dass meine residenza während meiner Abwesenheit dann doch anerkannt wurde. Immerhin hatte ich der Gemeindepolizei ja bereits vorher mitgeteilt, dass ich häufiger auf Dienstreise sein würde, hatte meine Nummer hinterlassen und war dann auch telefonisch erreichbar. Da habe man in dem Fall mal auf die Formalitäten verzichtet und die Bearbeitung zu einem ordentlichen Abschluss gebracht.
Dass sich die italienische Bürokratie dann doch mal so flexibel und bürgernah zeigen kann, hätte ich vorher nicht erwartet. Aber Cerreto Guidi hat mich eines besseren belehrt.

Cerreto Guidi im Winter. Im Hintergrund die Gipfel des Appenin. Rechts am Bildrand mein agriturismo.
Zugegebenermaßen ist das Foto hier etwas euphemistisch. Am Tag nach der Fotoaufnahme musste ich morgens den Eiskratzer suchen, die Scheiben meines Autos waren komplett vereist. Dafür war ich eigentlich nicht in die Toskana gezogen. In den folgenden Tagen war der Himmel eher grau und es regnete auch ziemlich viel. Die Katastrofenmeldungen aus anderen Teilen Italiens waren für mich allerdings genau so weit weg für Euch.
Erst dieses Wochenende, rechtzeitig zu meiner Heimreise, kam die Sonne wieder heraus, der Himmel ist strahlend blau und die Temperaturen gehen wieder auf die 15 Grad zu.

Leonardo da Cerreto Guidi

Wie der aufmerksame Leser weiß, arbeite ich in der Nachbargemeinde von Cerreto, in Vinci. Und eben dort habe ich vorhin wieder meinen neuen Hauswein gekauft.

Wein im Pappkarton: den Zapfhahn puhlt man aus der Packung und fixiert ihn dann an der vorgesehenen Stelle
Den Direktverkauf von Wein hatte ich ja schon in Pieve di Santa Luce getätigt. Es hat ja schon was, wenn man den Wein direkt beim Produzenten kaufen kann und der dann auch noch schmeckt! Das gleiche Glück wiederfährt mir jetzt auch wieder.
Der moderne Toskaner kauft für den Eigengebrauch den Wein nicht flaschenweise, sondern bringt im Idealfall gleich seinen eigenen Wasserkanister mit und lässt sich beim Direktverkauf seine dreißig Liter einfüllen. Für die eher unvorbereiteten Kunden wie mich besteht da die Möglichkeit, diesen wunderschönen Pappkarton mit eingebautem Plastikbeutel (auf italienisch: Bag-in-Box) zu erwerben. Er beinhaltet fünf Liter. Man kann den Wein natürlich auch in Flaschen erwerben, aber dann kostet er fast das Dreifache. Und da der Wein in Italien zu eigentlich jedem Essen auf den Tisch gehört, bietet diese Abfüllform eine Menge Sparpotenzial.
Die Weinfabrik mit angeschlossenem Direktverkauf befindet sich einige hundert Meter von meiner Firma entfernt und nennt sich Cantine Leonardo. Auch in diesem Fall erlauben es sich die vinciani einfach, sich diesen Leonardo anzueignen. Denn eigentlich kommt Leonardo da Vinci nicht aus Vinci, sondern aus Cerreto. Davon sind jedenfalls wir cerretesi überzeugt. P., unsere nette Empfangsdame, die mir meine Wohnung organisiert hatte, hat mir auch erklärt, warum Leonardo aus Cerreto stammt.
Im Mittelalter wurden uneheliche Kinder (und Leonardo war ein uneheliches Kind) nach dem Ortspatron benannt. In Italien und vermutlich auch in anderen katholischen Gegenden (fragt doch mal eure katholischen Bekannten, so ihr welche habt) haben alle Orte einen Patron, einen Heiligen, den sie bevorzugt verehren. Praktischerweise bedeutet das auch, dass dem Patron auch ein Feiertag gewidmet wird. Und deshalb hat jede italienische Gemeinde auch einen eigenen Feiertag. Der von Vinci, 22. November, fiel dieses Jahr leider auf einen Samstag. Aber damit man als berufstätiger Mensch nicht leer ausgeht, muss die Firma für „nicht genossene Feiertage“ einen Lohnausgleich zahlen. Nicht schlecht, oder?
Aber zurück zu Leonardo da Cerreto Guidi. Laut P.'s Informationen, deren Wahrheitsgehalt ich unterstreichen möchte, hatte Cerreto im Mittelalter den heiligen Leonhard, auf italienisch San Leonardo, als Ortspatron. Deshalb wurde der uneheliche Junge schließlich Leonardo genannt. Tatsächlich gibt es in Cerreto auch eine Pieve di San Leonardo, die schon mehr als 1000 Jahre besteht. Die Familie da Vinci trug Ihren Nachnamen auch schon vor Leonardos Geburt, die Ortsangabe hat also nichts zu sagen. Womit also zweifelsfrei geklärt ist, woher Leonardo eigentlich kommt. Würde er aus Vinci kommen, dann hätte er den ortsüblichen Patronsnamen bekommen und wäre nicht Leonardo genannt worden!
Und dennoch besitzt die Gemeinde Cerreto Guidi die Größe, der nach Vinci führenden Straße den Namen Via Leonardo da Vinci zu geben, statt nur Via Leonardo. Und die undankbaren vinciani tun was? Die gleiche Straße heißt auf vincianischem Gebiet Via Cerretana, wobei doch jeder weiß, dass das Adjektiv zu Cerreto cerretese heißt und nicht cerretano. Wir sagen ja auch nicht vincesi zu denen.
Wie ihr merkt, ich fühle mich schon ziemlich zu Hause hier in Cerreto Guidi. Wobei ich nicht verschweigen will, dass es auch unter den cerretesi ein paar Knallköppe gibt. Die Leser der ersten Stunde erinnern sich vielleicht noch an den Mussolini-Kalender, den ich vor fünf Jahren in einem Einkaufszentrum in Savona gesehen habe. Nun war es wieder so weit. Anfang November war ich an einem cerretesischen Zeitungskiosk, um eine Zeitschrift zu kaufen. Dabei sprang mir der Mussolini-Kalender für 2009 ins Auge. Ich fragte die Verkäuferin, ob der sich denn gut verkaufte. Ihre Antwort: „Der da ist der letzte.“

Finale

Weihnachten naht und auch in Cerreto ist man darauf vorbereit. Die auguri-Schrift über der Straße ist normalerweise auch beleuchtet. Von der Burg leuchtet eine Sternschnuppe und den Weihnachtsbaum seht ihr ja selbst. In der Mitte des Kreisverkehres hingegen ein Objekt moderner Kunst: eine dicke Frau... naja, wem's gefällt...
Bis heute habe ich nicht so recht verstanden, nach welchem Muster die Italiener Weihnachten feiern und die Geschenke austauchen. Manch einer am Abend des 24., manch einer mittags am 25. Dass sie sich Geschenke machen, ist sicher. Die hoffnunglos überfüllten Einkaufszentren sind in Italien genauso allgegenwärtig wie in Deutschland. Meine Kollegen meinten, dass hänge von der jeweiligen Familientradition ab, wann man Bescherung macht. Insofern fanden sie es typisch deutsch, dass man nördlich der Alpen so unflexibel auf den Abend des 24. festgelegt ist...
Wann, wo und wie auch immer Ihr Weihnachten feiern solltet... ich wünsche Euch ein frohes Fest und ein glückliches neues Jahr. Und da ich in Berlin bin, werde ich den einen oder anderen von Euch ja auch bald wiedersehen.

Buone feste e tanti auguri!
Daniele