martedì 11 novembre 2003

tutto sotto controllo

Cari amici,
 
nach längerem Warten wieder Post aus Italien. Mir geht es hier sehr gut, ich bin seit einer Woche glücklicher Bewohner eines zauberhaften Zimmers in einer wunderhübschen Wohnung. Ohne Tiere. Mit einer wunderschönen Küche, mit netten Mitbewohnern. Ach, was soll ich sagen. Es ist einfach toll. Aber leider, leider, leider: ganz umsonst ist das hier nicht: 250 Euro kostet mich der Spaß hier, für italienische Verhältnisse ist das sehr günstig, wenn man bedenkt, was ich geboten bekomme. Aber bei Signora A. hat mich das ganze 190 Euro gekostet, inklusive der Möglichkeit, das Festnetztelefon zu benutzen und dem Fernseher im Zimmer. Hier ist der Fernseher in der Küche, aber wirklich vermissen tu ich das italienische Fernsehprogramm nicht. Zum zappen ist es okay, aber sonst...? Erst einmal gibt es keine erkennbaren Unterschiede zwischen öffentlichen und privaten Kanälen. Beide bringen debile Shows, viel Werbung und auch ein paar Filme und Serien. Allerdings hilft das Fernsehen beim Erlernen der Sprache. Bestimmte Redewendungen, wie sie zum Beispiel in Werbespots oder im normalen Programm benutzt werden, lassen sich so leichter merken. Die Carabinieri in der gleichnamigen Fernsehserie haben immer tutto sotto controllo (alles unter Kontrolle), aber offenbar nur dort. Denn das Regionalfernsehen kann einem Angst und Bange machen, nur Überfälle, Unfälle und sonstige Katastrophen. Aber das ist bei uns ja nicht anders. Die Nachrichten im richtigen Fernsehen beschäftigen sich hauptsächlich mit italienischen Problemen, was ja auch irgendwie verständlich ist, aber mir fehlt da noch der Zugang. Eine gewisse Häme habe ich verspürt, als vermeldet wurde, dass Frankreich und Deutschland schon wieder zu viel Schulden machen. Mit Stolz wurde berichtet, dass Italien erst 2005 so weit sein wird.

Nun, zurück zu meiner Wohnung. Ich habe hier 2 Mitbewohner, einen Franzosen und einen Albaner. In Genua gibt es von letzteren sehr viele. Ganz Albanien scheint hier Zuflucht gesucht zu haben. Schon in meiner letzten Wohnung gab es 2 albanische Untermieter, und einer davon hat öfter in der Küche gesessen und auf albanisch telefoniert. Um ehrlich zu sein... keine schöne Sprache. Und er wurde dabei immer so laut. Aber bevor mir antialbanische Tendenzen unterstellt werden: der Zweite in der alten Wohnung, der in der jetzigen und die in meinem Sprachkurs sind alle sehr nett. So wie auch der Franzose, der eigentlich Portugiese ist, aber eben aus Paris kommt. Eine Sache fällt mir zu den Albanern aber doch noch ein. Gestern behandelten wir im Sprachkurs das Thema Aberglaube. Und jeder sollte aus seinem Land ein Beispiel nennen, das Glück bringt. In Albanien bringt es Glück, wenn man auf der Straße einen Menschen mit Down-Syndrom sieht... schon krank, oder?

Nächstes Thema: die Uni hat angefangen, der eigentliche Grund meines hiesigen Aufenthaltes. Und obwohl ich regelmäßig 2 Geschichtskurse und meinen Sprachkurs besuche, ist mir doch klar geworden, dass der Sinn des Erasmus-Programms fast ausschließlich darin besteht, Parties zu feiern. Es werden Parties organisiert, es gibt verbilligte Getränke (bezahlt das auch die EU??) und alle europäischen Nationen feiern gemeinsam die Nächte durch. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es nur darum geht. Indem die europäische Jugend sich so näher kommt, wird die europäische Einigung vertieft. Weil man das so direkt aber nicht machen kann, läuft nebenbei auch das Studium weiter. Mein erster Weg führte zu einer Professorin, die für mich zuständig ist. War eine nette Begegnung. Am Anfang sprachen wir italienisch, als ich ihr aber erklärte, wie das Studium in Potsdam funktioniert, musste ich ins Englische wechseln. Sie konnte kaum glauben, was ich ihr da erzählte. In Italien zählt im Grunde genommen alles, was man im ganzen Studium macht. Studiert man Geschichte in Potsdam, kann man im Grunde genommen machen was man will, erst am Schluss wird es ernst. Ganz ungläubig fragte sie mich wiederholt, wozu man die Arbeiten schreibt, ich antwortete, dass man sie schon bestehen müsse, ansonsten seien sie aber nur Training. Unfassbar! Um die Sprache, gerade im Politikstudium, besser zu lernen, gab sie mir anschließend einige Tipps. Zum Beispiel, dass es hilfreich wäre, öfter mal eine italienische Zeitung zu lesen. Und dann fing sie an, dass la Repubblica eher links sei, Corriere della sera mittig und der ganze Rest, da hielt sie inne, fing lauthals an zu lachen, und der ganze Rest sei rechts. Ich stimmte in ihr Lachen ein. Ein nettes Gespräch!

Ich finde schon wieder kein Ende. Dabei hab ich noch so viel zu erzählen...

Am Donnerstag zum Beispiel fand ich zum ersten Mal einen Strafzettel für Falschparken an meinem Auto. Darauf hatte ich schon die ganze Zeit gewartet, denn schließlich hat eine Bekannte, eine deutsche Erasmusstudentin, schon 15 davon. Und sie versicherte mir auch, dass ich sie nicht bezahlen müsste. Wollen wir hoffen, dass sie Recht behält. Man kann mich ja auch gar nicht finden. Ich habe zwar mittlerweile eine richtige Aufenthaltserlaubnis, aber da steht die alte Adresse drin, in der neuen wohne ich sozusagen schwarz. Meine Vermieterin fragte mich, ob ich auf einem Vertrag bestünde, aber wozu? Kostet nur Geld. Sowohl Verträge als auch Quittungen, eigentlich alles in Italien, müssen mit Steuermarken versehen werden, damit sie gültig sind. In einer Autozeitung habe ich gelesen, dass es in Italien spezielle „zu verkaufen“-Schilder gibt, die man ins Auto hängt, auch die müssen dann mit einer Steuermarke versehen werden. Selbst basteln ist nicht! So kann das Leben in Italien schnell richtig teuer werden. Und damit bin ich beim letzten Thema: Einkaufen.

Ein Gang durch italienische Supermärkte ähnelt dem Gang durch deutsche Tankstellen. Das Preisniveau ist ähnlich. Von einigen Ausnahmen, wie Getränken (es gibt auch keinen Dosenpfand!!!!!!), einmal abgesehen. Auch wenn man sich dann nicht mehr wie in Italien fühlt, ich gehe nur noch zu Lidl oder Penny, da kostet alles nur die Hälfte. Oder noch weniger.

Gestern Abend habe ich allerdings den Coop aufgesucht, um ein Glas Nutella zu kaufen. Ich warte so vor mich hin (an der Kasse), als ich hinter mir eine übelriechende, lallende Gestalt wahrnehme, wie man sie von Lidl am Innsbrucker Platz gewohnt ist. Und bald wurde mir klar, dass er auf deutsch lallte. Wie kommt ein deutscher Penner (in seinem Korb war Wein in Tetrapaks) in einen genuesischen Supermarkt? Der Schock sitzt noch immer.

Schöne Grüße aus Italien!
Daniel, der Liebe