lunedì 6 agosto 2007

vaffanculo!

Cari amici, 

wenn ich Euch keine E-Mail, sondern einen echten Brief schicken würde, dann hätte ich wahrscheinlich diese Briefmarke auf den Umschlag geklebt. Rechtzeitig zum 50. Jahrestag der Präsentation des Fiat Nuova 500 (“nuova“ weil es schon in den 30er Jahren einen Ur-500 gab) wurde am 4. Juli der neueste Fiat 500 vorgestellt.
Ganz Italien war beherrscht von einer Cinquecentomania, nach langen Jahren der Krise war die Präsentation des neuen Fiat 500 der Höhepunkt der erfolgreichen Sanierung des Fiat-Konzerns. Die neuen Modelle verkaufen sich prächtig. Endlich können die Italiener wieder stolz auf „Made in Italy“ sein. Dass der Fiat 500, ein moderner italienischer Mythos, nun in Polen gebaut wird, ist da nur ein nebensächliches Detail am Rande. Außerdem baut ja auch VW den Käfer-Nachfolger in Mexiko. Ich würde (und werde?) den Fiat 500 jedenfalls kaufen.

Ist er nicht schick?
Luca de Montezemolo, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten Italiens und ein wahrer Meister der Ämterhäufung (Chef des Arbeitgeberverbandes Confindustria, Vorstandschef von Fiat, Ferrari und Maserati, Präsident der römischen Universität La Sapienza, Chef der Messe von Bologna und vieles mehr), sieht die Sanierung von Fiat als Vorbild für die Sanierung ganz Italiens. Wegen solcher und ähnlicher Äußerungen wird ihm immer wieder ein Interesse an einer Karriere als Politiker unterstellt. Er dementiert zwar, aber das muss ja nichts heißen.

V-Day

Inkompetenz, Verantwortungslosigkeit, Misswirtschaft, Desinteresse, Korruption, Vetternwirtschaft. So muss es wohl bei Fiat zugegangen sein, bis der neue Manager Sergio Marchionne aufgeräumt hat. Und so ähnlich geht es im Großen und Ganzen auch in der italienischen Politik zu, egal ob rechts oder links. Da jedoch beide politischen Lager kein Interesse an großen Änderungen haben und Presse und Fernsehen auch 1,5 Jahre nach Berlusconis Abwahl noch weitgehend gleichgeschaltet sind, nimmt man in der medialen Öffentlichkeit eher gleichgültig von den andauernden, skandalösen Zuständen in der italienischen Politik Notiz.
Zumindest im Internet entwickelt sich langsam eine Art Gegenöffentlichkeit, die gegen die herrschenden Bedingungen angehen will. Von einer Initiative des Kabarettisten Beppe Grillo ausgehend, soll am 8. September landesweit der V-Day, der Vaffanculo-Day, stattfinden. Beppe Grillo (ein lesenswerter Artikel über ihn findet sich bei der Zeit: http://www.zeit.de/2006/04/Grillo) hat mit einem Internet-Blog vor einigen Wochen angefangen, seine Idee zu veröffentlichen und bereits zahlreiche Unterstützer für sein Projekt gefunden.
Der Vaffanculo-Day soll auf den Plätzen der italienischen Städte am 8. September stattfinden, praktisch soll es eine Großdemonstration der enttäuschten Massen werden, die den Regierenden ein lautes “Vaffanculo!“ zubrüllen sollen. Vaffanculo, müsste man in diesem Sinn mit „Haut ab, ihr Arschlöcher!“ übersetzen, die eigentliche Übersetzung folgt im nächsten Kapitel.
Speziell geht es Grillo mit seiner Aktion darum, verurteilte Straftäter aus dem Parlament zu verbannen. Zu Beginn seiner Aktion gab es 25 verurteilte Abgeordnete, die vor allem in den Reihen der Berlusconi-Partei Forza Italia sitzen. Doch mittlerweile wurde so viel Wirbel gemacht, dass zumindest ein Abgeordneter bereits vom Parlament ausgeschlossen wurde, Cesare Previti, der im Auftrag von Berlusconi Richter bestochen hat.

Der 8. September, Jahrestag des Waffenstillstands zwischen Italien und den Alliierten von 1943, wurde von Grillo nicht ohne Grund gewählt. Er will damit darauf hinweisen, dass sich seit dem Zusammenbruch von Faschismus und Monarchie nichts geändert habe. Im Gegenteil, die politische Kultur Italiens sei mittlerweile an ihrem Tiefpunkt angelangt.
Vielleicht bewirkt der Vaffanculo-Day ja tatsächlich etwas. Ich werde mit meinem neuen Arbeitskollegen am 8. September in Bologna sein. Abends gehen wir zum Daniele-Silvestri-Konzert und tagsüber zum Vaffanculo-Day. Che spettacolo!

Parolacce

Wie oben versprochen und von vielen Italienkennern vermutlich seit Jahren sehnsüchtig erwähnt, hier kommt es: das Schimpfwort-Kapitel. Zartbesaiteten Personen empfehle ich, die folgenden Sätze zu überspringen, es bleibt nicht jugendfrei und es wird teilweise wirklich vulgär. Anlässe für dieses Kapitel gibt es gleich zwei. Zum einen Beppe Grillos Initiative, zum anderen die Entscheidung des Kassationsgerichts, dass die Redewendung vaffanculo aufgrund ihrer weiten Verbreitung und alltäglichen Anwendung nicht mehr strafbar sei. Dennoch würde ich niemandem empfehlen, mit dem Wort allzu leichtfertig umzugehen.
Die richtige Übersetzung von vaffanculo, das eigentlich eine Abkürzung von vai a fare in culo ist, lautet: Geh und steck ihn in ’nen Arsch. Die harmlosere deutsche Version ist „Leck mich am Arsch!“ Das Problem als Ausländer ist ja leider, dass man die ganzen italienischen Schimpfwörter immer innerlich übersetzt und dann erschaudert. Vor einigen Jahren, ganz am Anfang meines italienischen Lebens, war ich bei T. zu Hause. Als seine Mutter ihm etwas zurief, antwortete er mit Porca puttana!, wörtlich übersetzt heißt das Sauhure. Aus der gleichen Liga gibt es noch Porca troia, Porca miseria und andere (Sauschlampe, Sauelend). Diese Wörter richtet man im Gegensatz zum vaffa jedoch nicht an Personen, sondern es sind Ausrufe, zum Beispiel wenn einem etwas runterfällt. T. hat seine Mutter also nicht als Sauhure beschimpft, sondern es war eher ein genervter Ausruf. Ähnlich benutzt man auch das wichtigste italienische Schimpfwort: cazzo. Die Übersetzung lautet Schwanz, das Wort wird aber eher wie „Scheiße“ im deutschen benutzt. Trotzdem gibt es auch die wörtliche Übersetzung von Scheiße, nämlich merda. Mit cazzo werden noch eine Reihe weiterer Wörter gebildet. Fare una cazzata – Scheiße bauen. Incazzarsi – sich stark aufregen. Bevor wir uns dem Hinterteil zuwenden, sollten aber noch die Hoden als Basis für Schimpfwörter nicht fehlen. Berlusconi hat kurz vor den Wahlen 2006 die Wähler der Linken als coglioni bezeichnet. Im deutschen würde man Idioten sagen. Leute, die einfach zu blöd sind und dann halt die Falschen wählen. Eine Ableitung von coglioni findet sich in essere rincoglionito, ungefähr mit „verpeilt sein“ zu übersetzen. Die coglioni finden aber auch dann Verwendung, wenn einem etwas auf die Eier geht (endlich mal eine passende Übersetzung!). Demjenigen, der rumnervt, sagt man dann irgendwann non rompere i coglioni oder non rompere le palle (zerbrich nicht die Eier – geh mir nicht auf die Eier).
Der culo (Arsch) kommt im italienischen nicht nur im vaffanculo vor, sondern auch in einigen weiteren Redewendungen. Wenn einen im deutschen jemand auf den Arm nimmt, dann benutzt der Italiener in der jugendfreien Version prendere in giro (in die Runde nehmen) oder in der vulgären Version prendere per il culo (jemandes Arsch „nehmen“).
Es ließe sich sicherlich ein ganzes Buch über die italienische Schimpfkultur schreiben und wahrscheinlich existiert es auch. Die Vielfalt italienischer Schimpfwörter habe ich jedoch nicht beschrieben, um die Italiener als vulgäres Volk bloßzustellen, sondern um Euch einen Eindruck von der Kreativität dieser Menschen zu liefern. Wo die Deutschen bloß Scheiße kennen, kann man bei einem Missgeschick gespannt sein, welchem der breiten Schimpfwortpalette sich der Italiener nun bedienen wird. Bevor ich diesen kleinen Exkurs in die Abgründe Italiens beende, möchte ich Euch nur noch darauf hinweisen, dass auch Dialekte eigene Schimpfwörter haben. Cazzo heißt in Sizilien beispielsweise minchia und in Ligurien belin. Wer also aus Berlin kommt und sich in Genua nicht zum Gespött machen will, der muss das R sehr stark betonen: Berrrlino. Sonst würde er Gefahr laufen, etwas zu sagen, was er eigentlich nicht sagen wollte: „ich komme aus Schwanz“.

Family-Day & Varo

Über das Vorhaben der Regierung, eine Art Homoehe einzurichten, hatte ich ja bereits in einer vorherigen Mail kurz berichtet. Und auch über den Einfluss des Vatikan, der jegliche Entwicklung in diese Richtung mit Moralpredigten torpediert. Und so sah auch die Opposition eine willkommene Gelegenheit, mit dem moralischen Rückhalt der Kirche als Hüterin der Familie zu präsentieren. Nahezu zeitgleich beklagte sich Berlusconis Ehefrau zwar öffentlich in der Repubblica über die Eskapaden ihres Gatten, aber das war ja wenigstens ein Beweis seiner heterosexuellen Manneskraft. Am Ende schafften es das rechte Parteienbündnis und katholische Vereinigungen in Rom einen "Family-Day" zu veranstalten, auf dem eine Million Menschen für die italienische Familie (also gegen die Homoehe und kaum verhüllt auch gegen Homosexuelle) und die wahren christlichen Werte demonstrierten. Tatsächlich wurden alle Anstrengungen, die Homoehe zu ermöglichen, erst einmal auf Eis gelegt. Den Vatikan wird es freuen. Das Abendland und seine christlichen Werte scheinen gerettet.
Die christlichen Werte verkörpert anscheinend auch eine der Luxusyachten, die in den letzten Monaten endlich in der Werft fertiggestellt wurde und bei der Feier anlässlich der Schiffstaufe (italienisch: varo) vom livornesischen Bischof gesegnet wurde. Die Verbindung von Geld und Religion hat sich offensichtlich bis in die Neuzeit erhalten.

Der Bischof auf der Schiffstaufe. Und am linken Rand sieht man die russische Flagge zu Ehren des Besitzers.
Die Schiffstaufe fand am 7. Juli auf dem Werftgelände statt, einige Wochen später wurde das Schiff, die ANNAEVA an den russischen Auftraggeber übergeben. Über die weitere Identität des Besitzers weiß man nicht viel. Er war selbst anwesend, als vorbildlicher Wahlitaliener spricht er perfekt italienisch, lebt in Moskau und auf Sardinien und der Name des Schiffes wurde zu Ehren seiner beiden kleinen Töchterlein Anna und Eva gewählt. Nachdem der Bischof seinen Auftritt hatte, wurden die italienische und anschließend die russische (also eigentlich die sowjetische) Hymne abgespielt und noch einige Reden gehalten.
Anschließend ging man zu Tisch. Unter einem riesigen Festzelt fanden die zahlreichen Teilnehmer Platz, darunter als Vertreter von Yacht Srl ich, mein Arbeitskollege und zwei Freundinnen, die gerade auf Besuch aus Deutschland da waren. Schließlich wurde uns das Menü gebracht. Leider war es eher mittelmäßig bis enttäuschend. Der Vorspeise, einer kleinen Fischbrühe, die mehr Brühe als Fisch war, folgte der erste Gang: risotto mit Garnelen. Das war zwar nicht sehr spektakulär, aber doch noch ganz akzeptabel. Der zweite Gang hingegen war eine wirkliche Enttäuschung: eine Scheibe rohen Thunfischs mit einer Art gelber Erbsen und einem Salatblatt. Wenigstens das Dessert, eine sehr leckere und cremige Torte, entsprach den Erwartungen. Anschließend gab es noch vino santo, eine Art Likör, in den die berühmten cantuccini, die toskanischen Mandelkekse, getaucht wurden. Mir als Autofahrer blieb von den Weinen, die während des Dinners serviert wurden, leider nur die Möglichkeit, mal anzukosten.

Die ANNAEVA, 56 Meter lang.

Sommer

Neben all diesen Neuigkeiten, sollte ich Euch noch erzählen, dass südlich der Alpen mittlerweile eine warme, sonnige, regenarme Jahreszeit namens Sommer vorherrscht und das ganze Leben ein wenig leichter macht. Seit knapp 2 Monaten springe ich nun fast jeden Tag in den Pool und habe es in der ganzen Zeit noch nicht ein einziges Mal geschafft, einen Tag am Meer zu verbringen.
Da gerade der klassische italienische Urlaubsmonat begonnen hat, habe auch ich nächste Woche frei. Im Gegensatz zur restlichen italienischen Bevölkerung werde ich diese Zeit aber nicht im Stau an einer Autobahnzahlstelle verbringen, sondern die freie Zeit meiner Magisterarbeit widmen. Und vielleicht gelingt es mir, mich einen Nachmittag von der Magisterarbeit loszureißen, um mich auf den weißen Stränden von Vada und Cecina zu sonnen. Erst am 27. August, einem Montag, werde ich mich ins Auto setzen und auf den Weg Richtung Heimat machen. Immer in der Hoffnung, dass an diesem Tage ein einigermaßen zügiges Reisen möglich sein wird.
In der Zeit vom 27. August bis 7. September werde ich also in Berlin sein und hoffentlich auch die Möglichkeit haben, den einen oder anderen von Euch wiederzusehen. Und wenn ich dann wieder nach Pieve di Santa Luce zurückkehre, werde ich noch eine Woche lang den Swimmingpool genießen können. Anschließend geht es auch in Italien wieder langsam auf den Winter zu.

Mein Swimmingpool.