domenica 27 gennaio 2008

ma è tutto vero

Cari amici,

Euch allen ein frohes neues Jahr. Wieder einmal ist der Zeitpunkt einer Mail gekommen. In der letzten Mail habe ich versucht, Euch einen Einblick in die Abgründe der italienischen Politik zu verschaffen und auch dieses Mal werde ich Euch mit einer kleinen, politischen Anekdote versorgen. Allerdings werde ich Euch auch ein paar andere Geschichten erzählen, sonst würdet Ihr mich ja bald fragen müssen, warum man in einem solchen Land nicht längst verzweifelt ist.
Natürlich ist man gelegentlich verzweifelt. Die Müllkrise und ihr Widerhall in der internationalen Presse hat die italienische Regierung dazu bewogen, ein weiteres Mal das Problem „endgültig“ zu lösen. Die Schande sollte getilgt werden. Vielleicht würde sich die italienische Politik ja auch der Korruption in Ihren Reihen widmen, die kafkaeske Bürokratie eindämmen, den Steuerdruck lindern und das offensichtliche Missverhältnis zwischen niedrigen Gehältern und hohen Lebenshaltungskosten angehen, wenn sich die internationale Presse mal diesen Notständen widmen würde? Vermutlich nicht. Italienische Politiker können ganz schnell beleidigt reagieren, wenn aus dem Ausland Kritik kommt. Und Berlusconi, der wohl bald wieder die Macht übernehmen wird, wenn nicht ein Wunder geschieht, hat in dieser Hinsicht ein besonders dickes Fell.

Salvatore Cuffaro

Salvatore Cuffaro, genannt Totò, ist, beziehungsweise war, sizilianischer Regionspräsident. In dieser Eigenschaft sitzt er auch an der Quelle polizeilicher Informationen im Kampf gegen die Mafia. Vor kurzem stand er vor Gericht. Vorgeworfen wurde ihm die Herausgabe wichtiger Informationen an die Mafia. Acht Jahre Haft drohten ihm. Er selbst ging siegessicher in den Prozess und erklärte, dass er sofort zurücktreten würde, wenn er wegen der Vorwürfe verurteilt würde. Der informierte Leser fragt sich nun, warum er dann noch zurücktreten müsse, sein politisches Ende wäre doch sicher mit einem Urteil klar zu erwarten. Nein, nicht so in Italien. Hier gilt ein Angeklagter, vor allem wenn er ein Politiker ist, so lange als unschuldig, bis er in der letzten Instanz verurteilt wird. Insofern war Cuffaros Ankündigung ein Zeichen seines Respekts vor der Justiz und dem Volk. Theoretisch. So weit kam es dann ja doch nicht.
Cuffaro wurde am 18. Januar verurteilt. Die Begünstigung der Mafia konnte ihm jedoch nicht bewiesen werden. Er wurde lediglich zu fünf Jahren Haft für Begünstigung einzelner Personen verurteilt, dessen Mafia-Verbindungen ihm unbekannt gewesen seien, oder zumindest war ihm nicht nachzuweisen, dass er über deren Verbindungen bescheid wusste. Konkret ging es darum, dass er Informationen über Abhöraktionen an „Freunde“ weitergab.
Der interessante Teil kommt aber erst jetzt: Cuffaro ging strahlend aus dem Prozess und erklärte, dass er nun guten Gewissens seine Arbeit für sein geliebtes Sizilien fortsetzen würde, denn er wurde ja nun höchstrichterlich von Mafiaverbindungen freigesprochen. Die kleine Strafe von fünf Jahren würde nun in den nächsten Instanzen auch noch fallen. (Oder aber verjähren, in Italien laufen die Verjährungsfristen auch während der Prozesse weiter, bis kein endgültiges Urteil gefällt wurde. Auf diese Weise konnte bereits Berlusconi mehrere Urteile gegen ihn verhindern.)
Cuffaros Triumphzug wurde unterstützt von Solidaritätserklärungen führender Politiker der bürgerlichen Parteien. Bei Berlusconi war eine solche Erklärung zum Schutze des von „kommunistischen“ Richtern verfolgten Cuffaro ja auch zu erwarten. Erstaunlich fand ich eher, dass sich auch der gemäßigte UDC(eine christdemokratische Partei)-Chef Pierferdinando Casini hinter Cuffaro stelle und ihm zu seiner als Freispruch empfundenen Haftstrafe beglückwünschte. Erst durch die empörten Reaktionen der Öffentlichkeit sah sich Cuffaro am 26. Januar, nach über einer Woche, genötigt, seinen Rücktritt zu erklären.

L’Italia di Piero

Italien ist eben kein normales Land. Darum liebe ich es ja auch so sehr. Aber manchmal wäre ein bisschen Normalität durchaus wünschenswert. Nun ja, man kann nicht alles haben.
Rechts der übersetzte Text eines Liedes, dass im letzten Frühling in Italien erschienen ist und von einem Sänger namens Simone Cristicchi stammt. L’Italia di Piero beschreibt in einer sehr schönen Form dieses merkwürdige Land. Es beginnt mit einem Marsch der italienischen Bersaglieri-Elitetruppe und geht schließlich über in das Lied. Die ganzen Anspielungen muss man nicht kennen, ein klein wenig Recherchearbeit war auch für mich notwendig, aber einiges brachte mich schon vorher zum Schmunzeln. Einfach auf den Text klicken.



Pieve di Santa Luce

Schön ist nicht nur Italien, sondern auch Pieve di Santa Luce, das Dorf in dem ich wohne. Und noch schöner ist die Umgebung, die Toskana. Daher mal ein kurzes Kapitel über meine Heimat. Google hat nun auch mal wieder seine Maps aufgefrischt und siehe da, jetzt kann man sogar mein kleines Dörfchen erkennen.


La Pieve ist die Kirche, die dem Dorf, dass sich zu ihren Füßen entwickelt hat, seinen Namen gibt. Wörtlich übersetzt heißt das Dorf „Pfarrei des heiligen Lichts“. Im Ortszentrum sehen wir sonst noch den Circolo, das ist eine Art Genossenschaftskneipe, wo (theoretisch) nur Mitglieder der entsprechenden Genossenschaft konsumieren können. Die Getränke sind dort sehr günstig, die Betreiber, seit kurzem wurde der Circolo von einem schwäbischen Ehepaar übernommen, verdienen daran, weil sie im Gegensatz zu normalen Kneipen von Steuerzahlungen befreit sind. Im Fall von Pieve di Santa Luce ist die Genossenschaft eine katholische Organisation, normalerweise ist die Toskana eher kommunistisch geprägt. In Rosignano, einem kleinen Städtchen in der Nähe, habe ich neulich eine Via Enrico Berlinguer gesehen. Berlinguer war Chef der kommunistischen Partei Italiens in den siebziger und frühen achtziger Jahren. Nach ihm sind hier viele Straßen benannt. In Rosignano war das besondere, dass die Straße vorher nach Antonio Gramsci benannt war, einem der Gründer der KP. Das ist, als wenn man irgendwo in Brandenburg in einigen Jahren eine Karl-Liebknecht- oder Ernst-Thälmann-Straße in Gregor-Gysi-Straße umbenennen würde.
Und eher links sind die Leute auch in Pieve. Als ich mich im Lebensmittelladen einmal abfällig über den Papst geäußert habe, habe ich von S., der Besitzerin, und ihrer Mutter nur Zustimmung geerntet. Seitdem wir nämlich Papst sind, wird einem Deutschen das auch von manch liberalen Italienern (ja, so was gibt es!) vorgehalten. S. meinte hingegen, die Deutschen seien im Gegensatz zu den Italienern alle so weltoffen, das würde man ja auch an mir sehen. Ich habe ihr dann halb zugestimmt, aber gemeint, dass es auch verbohrte Deutsche gibt. Den am wenigsten offenen Deutschen hätten wir aber nach Rom geschickt, um dort den Papst zu geben. Die Bemerkung hätte ja auch ins Auge gehen können, aber S. hat laut gelacht und meinen tollen Witz gleich den anderen Leuten erzählt, die anschließend in den Laden kamen. Puuh... noch mal gut gegangen!
Übrigens habe ich S. dann auch aus Deutschland ein Pfefferkuchenhaus mitgebracht, hier hält sich ja nach wie vor die Legende von Hänsel und Gretels Marzipanhaus. Ihr werdet Euch sicherlich an diese Geschichte erinnern. S. hat sich jedenfalls sehr über mein Mitbringsel gefreut. Außerdem ist S. immer ein zuverlässiger Brötchenlieferant. Die brauche ich nämlich für T., der voll auf deutsches Frühstücken abfährt.
Und bevor ich mit dieser E-Mail fertig bin, schicke ich Euch noch ein paar Eindrücke von einem toskanischen Winter.

Samstag, 10. November, in Florenz. Sonnenschein und 18 Grad
Blicke von der SS1, der Via Aurelia, südlich von Livorno. 24. Januar, 14 Grad
Die längste Zypressenallee Italiens
Und hier endet die Zypressenallee, in Bolgheri (LI): 26. Januar und 16 Grad

Finale

Mit diesen Bildern will ich Euch nicht neidisch machen. Aber es war wohl mal wieder an der Zeit, etwas Positives über Italien zu vermelden. Und die neapolitanische Müllkrise hat auf die Toskana keine Auswirkungen gehabt. Zur Müllkrise übrigens noch ein Tipp. Wer gerne Büffelmozzarella aus Kampanien isst, sollte sich darüber im klaren sein, dass die Büffel teilweise auf verseuchten Feldern weiden, unter denen hochgiftige Abfälle illegal vergraben wurden. Oder einfach nicht dran denken und das gute Stück genießen. Wenn ich in Berlin bin, lasse ich mir ja schließlich auch die Döner schmecken, obwohl die diversen Gammelfleischskandale mich eines Besseren belehren sollten.

Ciao ciao,

Daniel