domenica 5 ottobre 2008

FI come: che FIgata!

Cari amici,

In dem Moment, in dem ich anfing mir Sorgen zu machen, worüber ich schreiben könnte, um meine regelmäßigen Italienmails vollzukriegen, bin ich ja rechtzeitig arbeitslos geworden. Und wie Ihr fleißigen Leser Euch erinnern werdet, habe ich in meiner letzten Mail von meinem neuen Job und dem bevorstehenden Ortswechsel geschrieben. Und jetzt seid Ihr sicherlich ganz gespannt, wie es nun ausgegangen ist.

Unterschiede

Als erstes erzähle ich ein wenig von meiner Arbeit. In den letzten Monaten war ich bereits zu vier Dienstreisen nach Deutschland aufgebrochen und habe dabei Metropolen wie Köln, Hamburg oder München gesehen, aber auch in gottverlassenen Kaffs wie Bodenwerder, Twist, Melsungen oder Burgdorf genächtigt. Und so lerne ich sozusagen in italienischem Auftrag mein Vaterland ganz neu kennen. Am 21. Juli beispielsweise bin ich bei 12 Grad und Regen in Lübeck gelandet und habe am Flughafen einen Mietwagen mit Winterbereifung bekommen. In Diez/Lahn konnte ich in einem „italienischen“ Restaurant vom türkischen Kellner keinen Espresso bekommen. Mehrmals habe ich morgens um halb neun E-Mails abgerufen, die von meinen deutschen Kontakten um kurz nach sieben abgeschickt wurden. Wer so früh anfängt, hat natürlich auch früher Schluss: ab vier Uhr nachmittags ist es praktisch sinnlos, in deutschen Büros anzurufen. Da arbeiten wir Italiener noch zwei Stunden. Und weil dem Essen hier eine andere Bedeutung zugemessen wird, nimmt man sich auch mehr Zeit für die Mittagspause: meine dauert neunzig Minuten.
Und die Unterschiede hören ja hier nicht auf. Die Deutschen können manchmal schon ziemlich merkwürdig sein. So gab es einen älteren Herren aus der Nachbarschaft meiner Eltern, mit dem ich noch nie in meinem Leben ein Wort gewechselt habe. Beim Anblick meines kleinen Fiats meinte er aber ungefragt, mir jetzt unbedingt sagen zu müssen, dass ihm das Auto nicht gefalle und er es sich nicht gekauft hätte. Damit hatte er nun nicht nur seinen fehlenden Geschmack bewiesen, sondern auch, dass es um sein Taktgefühl nicht besser bestellt ist. So etwas (also sowohl, was den Geschmack betrifft als auch die Taktlosigkeit) würde einem mit einem Italiener nicht passieren.
Bei der Ankunft in Italien fallen anschließend die ständigen, kleinen, nervigen Unzulänglichkeiten auf, die es so gibt. Freitag vor einer Woche traf ich in Pisa aus Frankfurt kommend ein. Auf dem Flughafen wartete ich zusammen mit allen anderen Passagieren am Gepäckband auf meine Reisetasche. Der Monitor über dem Gepäckband zeigte ja auch Arrivo: Francoforte-Hahn an. Aber es tat sich nichts. Bis irgendwann einem auffiel, dass unser Gepäck an dem Band auflief, das für das Flugzeug aus Leeds vorgesehen war.
Und als ich dann endlich mein Auto im Parkhaus gefunden hatte, hatte ich zwei Ausfahrten zur Auswahl. Über beiden Schranken brannte eine grüne Lampe, die die Funktionstüchtigkeit bestätigen sollte. Als ich eine gewählt hatte, stand auf dem Display aber nur Fuori servizio (außer Dienst). Die andere Ausfahrt funktionierte und über die schlaglochreiche Superstrada FI-PI-LI konnte ich endlich nach Hause holpern.
So hat eben jedes Land seine Eigenheiten. Und am Ende lebe ich nach wie vor in Italien!

Cerreto Guidi

Gestern, am Samstag dem 4. Oktober, habe ich nun die letzten Sachen aus meiner alten Wohnung in Pieve di Santa Luce geholt, das Licht ausgemacht und meinem Vermieter die Schlüssel zur Wohnung übergeben. Bereits seit einer Woche lebe ich jetzt direkt in der Nähe meiner Arbeit in einem Ort namens Cerreto Guidi in der Provinz Florenz.
Wahrscheinlich bin ich der einzige Mensch, der je das gemacht hat, was sich die Väter der italienischen Euro-Autokennzeichen so schön ausgemalt haben: das alte Provinzkürzel wegkratzen und das neue aufkleben. Während mein Kennzeichen vorher ein PI für Pisa zierte, hat es jetzt ein florentinisches FI. Das ist schon irgendwie cooler. Als ob man sein brandenburgisches LDS oder P für ein Berliner B eintauschen würde!
Dass sich Livornesen und Pisaner nicht so richtig leiden können, habe ich ja schon vor über einem Jahr beschrieben, aber hinzu kommt, dass der Rest der Toskana die Pisaner auch merkwürdig findet. In den zwanziger Jahren waren die Einwohner von San Miniato erschüttert, als ihre Stadt der Provinz Florenz entrissen und der Provinz Pisa zugeschlagen wurde.
Ich habe nun den Pisanern den Rücken zugekehrt.

Das Entfernen des Provinzkürzels ist nicht einfach, deshalb habe ich das pisanische I einfach drangelassen
Cerreto Guidi liegt ungefähr fünf Kilometer von Vinci und von meiner Arbeit entfernt. Mit dem Fahrrad sind es nur zweieinhalb Kilometer, inklusive einem beträchtlichen Höhenunterschied von knapp einhundert Metern, der sich über einen ein Kilometer langen nicht asphaltierten, steinigen, schlaglochreichen und kurvigen Weg hinzieht. Ich bin die Strecke bereits einmal abgefahren und ziehe das Fahrrad nun als ernsthafte Alternative in Betracht, um zur Arbeit zu gelangen. Autofahren würde wieder das werden, was es früher in Berlin war: eine Sache, die man in der Freizeit tut und die dabei Spaß macht.

Die Skyline von Cerreto Guidi, von meinem Garten aus gesehen
In den letzten Tagen vor den großen Sommerferien, die die Italiener ja alle gemeinsam im August verbringen, hatte ich mich noch mit P., der Stimme an unserem Firmentelefon, angefreundet und dabei auch von meiner Absicht erzählt, früher oder später an einen Ort zu ziehen, der etwas näher an meiner Arbeit liegt als Pieve di Santa Luce. P. hatte gleich mehrere Ideen, wovon eine sich zu meinem Glück nicht gleich realisieren ließ. Sie wollte mir ein leerstehendes Appartement in Empoli vermitteln, dass dem Unternehmensgründer, also meinem obersten Arbeitgeber, gehört. Dieser war von der Idee auch recht angetan und nachdem der Realisierung dieser Idee scheinbar nichts mehr im Wege stand, sprach P. aus, was ich mir in diesem Moment auch gedacht hatte: „Daniel, was machen wir nun, wenn dir diese blöde Wohnung (questo cazzo di casa) nicht gefällt?“
Wie ich nun erfuhr, hätte ich als Nachbarn den Sohn des Chefs, seinesgleichen auch im Vorstand vertreten, gehabt. Mir wurde schon ein wenig mulmig, als ich mir mein neues Heim so ausmalte. Aber da anscheinend auch in der Familie der Firmeneigner, noch einige Bedenken das Projekt herauszögerten, stürzten sich P. und ich nun auf ihre erste Idee: der junge Mann, der ihr jeden Samstag die Eier bringt, hatte noch ein kleines bilocale in einem agriturismo in Cerreto Guidi und würde das möglicherweise vermieten. Da diese Wohnung aber nicht so richtig leer stand, musste sich P. nun irgendwie bemühen, die eine Zwischenmieterin, die diese Wohnung als geheimes Liebesnest nutzte, rauszukriegen. Also überredete sie S., den eierbringenden jungen Mann, doch dieser Dame begreiflich zu machen, dass er die Wohnung nun für länger vermieten wolle.
So geschah es auch irgendwie und ich weiß nicht wie genau. Aber auf jeden Fall hat jene Dame die Schlüssel ihres Liebesnests zurückgegeben und ich konnte mir die Wohnung ansehen. In der Firma darf nun aber niemand wissen, dass P. mir bei der Wohnungssuche behilflich war, denn die Dame, die sich nun um ihr Liebesnest gebracht sieht, arbeitet auch bei uns...
Alles klar?!?

Die drei Fenster links von der Ecke und die Tür rechts davon sind Teil meiner Wohnung, ebenso Rasen und Parkplatz

Finale

Der Umzug bringt ja auch einige Veränderungen mit sich. Ich habe mich der deutschen Grenze um ungefähr fünfzig Kilometer und eine Autostunde genähert und empfange nun auch das erste deutsche Fernsehprogramm. In meinem nagelneuen LCD-Fernseher, den ich mit meinen Eltern zum Schnäppchenpreis im Coop in Empoli erstanden habe. Dieser Fernseher ist aber nur ein Teil jener Hochtechnologie, die bei mir nun Einzug gehalten hat. Über das UMTS-Netz surfe ich nun mit einer anständigen Geschwindigkeit und zu erstaunlich geringen Kosten im Internet. Vodafone Italia machts möglich. Und auf die furchtbare Telecom bin ich damit nicht mehr angewiesen. Stattdessen bin ich nun Kunde von Skype und kann für lächerlich wenig Geld unbegrenzt in die europäischen Festnetze telefonieren. Einfach über Laptop und den Vodafone-USB-Stick, der mich mobil ins Internet bringt.