mercoledì 24 ottobre 2007

repubblica delle banane

Cari amici,

es sind fast 3 Monate vergangen seit meiner letzten Mail und in der Toskana hält der Herbst Einzug. Regen, Sturm, Wolken, die Tage werden kürzer und so weiter... das wirklich Niederschmetternde in dieser Zeit ist aber nicht das Wetter, sondern die Politik. Italien ist, zu dieser Erkenntnis bin ich im Laufe der letzten Wochen gekommen, keine Demokratie. Warum ich zu dieser Überzeugung gekommen bin, erkläre ich anhand der Person Clemente Mastella und der italienischen Medienpolitik. Und dennoch gibt es noch kleine Hoffnungsfunken, die wenigstens in mir den Glauben an die Italiener aufrecht erhalten.

Clemente Mastella

Die Person, um die es hier geht, ist Bürgermeister der Stadt Ceppaloni (zirka 50 km nordöstlich von Neapel gelegen). Außerdem ist er Abgeordneter im italienischen Parlament. Er führt nebenbei die Partei UDEUR an, die bei den Wahlen 2006 ganze 1,4 % der Stimmen erhalten hat. Tja.. und dann ist er noch der italienische Justizminister.
Am 23. September hat er in seinem Blog die Frage gestellt, ob er das Schlechte in Italienrepräsentiert, ob der das Schlechte Italiens ist. Die Beantwortung überlasse ich euch.
Eine Biografie Mastellas soll das hier nicht werden, aber um welche Art Politiker es sich handelt, lässt sich schon mit einigen Beispielen aus seiner Vergangenheit belegen. Unter Berlusconi war er 1994 Arbeitsminister und seit 2006 sitzt er in der Regierung Prodi. Ein Opportunist halt und bis hierhin auch noch nicht ungewöhnlich. Dass er im Sommer 2006 im Jubel des italienischen Weltmeistertitels eine Amnestie für die Beteiligten des italienischen Fußball-Skandals forderte, geschenkt.
Auch über die Generalamnestie, die kurze Zeit später die Gefängnisse leerte, will ich nicht weiterWorte verlieren. Obwohl es schon interessant ist, dass viele der Freigekommenen rückfällig geworden sind und in den zurückliegenden Monaten auch einige Raubmorde darauf zurückzuführen sind. Das sind jedoch nur Kollateralschäden, denn die Amnestie war laut Kritikern Mastellas vor allem eine Verschleierungsaktion, um verurteilte Politiker freizubekommen.
Wer nach wenig italienischen Maßstäben urteilt, würde sich auch darüber mokieren, dass Mastella zusammen mit dem sizilianischen Regionspräsidenten Trauzeuge bei der Hochzeit des mafioso Francesco Campanella war. Natürlich wusste er nichts über dessen Verbindungen.
Was Mastella so unerträglich macht, ist, dass niemand ihm Einhalt gebietet und er, mit dem Amt des Justizministers ausgestattet, endgültig freie Hand hat, um sein schmutziges Spiel ungestört weiter zu betreiben.
Vor einigen Wochen kam heraus, dass in Catanzaro, Kalabrien, ein junger Staatsanwalt dabei war, einige Erkenntnisse zur Veruntreuung von EU-Geldern zu machen. Nachdem dieser Staatsanwalt, De Magistris, weiterwühlte, kam er zu weiteren interessanten Erkenntnissen, in dessen Gefüge das politische und wirtschaftliche Establishment der Nachbarregion Basilikata in Bedrängnis geriet. Und am Ende wurden sogar Ermittlungen gegen Romano Prodi, den italienischen Ministerpräsidenten, eingeleitet. Nachdem Mastella vorgewarnt wurde, dass bald auch gegen ihn ermittelt werden würde, hat er kurzerhand die Versetzung des Staatsanwalts in eine andere Region angewiesen. Der Justizrat, der die Aufgabe hatte, diese Versetzung zu beschließen, zog es jedoch aufgrund der starken öffentlichen Proteste erst einmal vor, die Entscheidung zu vertagen. In den darauffolgenden Wochen kam es zu öffentlichen Anschuldigungen Mastellas gegen De Magistris, der jedoch in Interviews nur darauf bestand, seinen Job zu erledigen. Vor einer Woche wurden nun tatsächlich Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch und Korruption gegen Mastella eingeleitet. Daraufhin wurde De Magistris amletzten Wochenende von seinen Vorgesetzten der Fall entzogen. Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass De Magistris mittlerweile gegenüber Mastella befangen sei. Noch mal zum Mitschreiben: gegen den Justizminister wird ermittelt, dieser bricht einen Zaun vom Streit, der Staatsanwalt wehrt sich gegen die Anwürfe und gilt deshalb nun als befangen, da er ja nun persönlich gegen den Minister voreingenommen sei.
Anschließend kam es zu einer Regierungskrise, weil der Infrastrukturminister Antonio Di Pietro Mastella diesen Angriff auf den Rechtsstaat nicht durchgehen lassen wollte. Di Pietro, einst einer der Staatsanwälte, die Anfang der 90er im Ermittlungsverfahren mani pulite, die gesamte Korruption des italienischen politischen Systems aufdeckten und es damit zum Einsturz brachten, musste sich von Mastella nun öffentlich als „Analphabeten des Rechts“ titulieren lassen.
Die Angst vor einer drohenden Rückkehr Berlusconis an die Macht, hat Di Pietro anschließend klein beigeben lassen. Die Regierung Prodi wurde gerettet, der Rechtsstaat dabei geopfert.

Medienpolitik

Zuerst einmal muss ich mich entschuldigen. In der letzten Mail habe ich geschrieben, dass in Italien Presse und TV weitgehend gleichgeschaltet sind. De facto ist es so, aber Johannes B. Kerner hat mir, der deutschen Nation und Eva Herman nun klargemacht, dass man das böse NS-Wort „gleichgeschaltet“ nicht benutzen darf. Als ob es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Johannes B. Kerner gleichgesch... äh... auf Linie gebracht ist.
Also, zurück nach Italien. Wie gesagt, sind Presse und TV hier schon seit geraumer Zeit auf Linie gebracht worden. Umso ärgerlicher ist es für die italienischen Politiker, dass mit dem Internet eine Insel der Informationsfreiheit entstanden ist, die einen immer größeren Nutzerkreis findet. Der von den klassischen Medien komplett ignorierte Aufruf Beppe Grillos zum V-Day hat Erfolg gehabt. Demonstrationen fanden in vielen italienischen Städten statt und über 300000 Unterschriften wurden für Beppe Grillos Petition gesammelt. Das italienische Parlament ist gezwungen, sich mit Grillos Vorschlägen, von denen ich in der letzten Mail berichtete, zu befassen.
Anschließend ergingen sich das Staatsfernsehen RAI und die mittlerweile staatstragende römische Tageszeitung La Repubblica in Hetzberichten über den angeblichen Populisten und Demagogen Beppe Grillo, ohne sich auch nur annähernd mit seinen Forderungen argumentativ zu befassen. Die Mediaset-Senderkette von Berlusconi war verunsichert, ob sie sich nun freuen sollte, dass die Regierung unter Beschuss stand oder lieber mit auf Grillo schießen sollte. Am Ende entschied sich die Opposition, gemeinsam mit der Regierung, Grillo als unseriösen Volksverhetzer zu kennzeichnen und auch für Mediaset war somit die Linie vorgegeben. Der traurige Höhepunkt in der RAI war ein Kommentar des Chefredakteurs von tg2 (ungefähr vergleichbar mit „heute“ vom ZDF), der Grillo vorwarf, einem neuen Terrorismus Stoff zu bieten. Grillo antwortete auf einige Vorwürfe in seinem Blog.
Da er von der RAI seit 1993 nicht mehr vor die Kameras gelassen wird, bleibt ihm auch nichts anderes übrig. Geschasst wurde er wegen mehrerer politischer Witze gegen die damals Mächtigen. Seine damaligen Rekordeinschaltquoten von bis zu 20 Millionen Zuschauern haben ihm aber einen Bekanntheitsgrad verschafft, der ihm heutzutage hilft, seinen Blog zu einem der zehn meistgelesenen Blogs weltweit zu machen.
Mittlerweile spielte sich in den italienischen Medien ein Phänomen ab, dass ein wenig an DDR-Zustände erinnert. Um die RAI-Nachrichten zu verstehen, musste man vorher Beppe Grillos Blog gelesen haben. So wie ein Blick in die Tagesschau zu DDR-Zeiten hilfreich bei der Lektüre des „Neuen Deutschland“ war. Da viele Menschen das Internet zwar für alles Mögliche, aber nicht zur politischen Information, nutzen, konnte die RAI auch fröhlich Sachen über Grillo verbreiten, die bei einem einzigen Blick auf seine Internetseite widerlegt waren.
Übrigens: als vor einigen Wochen dann doch mal ein RAI-Moderator aus der Reihe tanzte und den Ermittlern aus Catanzaro Platz in seiner Sendung bot, wurde er anschließend prompt vor eine Untersuchungskommission geladen. Dahinter steckte wieder mal Mastella, der darüber wütend war, dass die Staatsanwälte öffentlich behaupteten, dass aus dem Ministerium Druck auf sie ausgeübt wurde. Der Moderator der Sendung heißt Michele Santoro und war bereits während der Berlusconi-Regierung von der RAI verbannt worden.

Blogs

Mastella hat wie schon oben erwähnt, auch einen eigenen Blog, in dem er seine Sicht auf die Welterklärt. Mastella hat aber die Fantasie seiner italienischen Untertanen unterschätzt und die Blogwelt nicht richtig verstanden. In Mastellas Blog wird jeder Kommentar von ihm persönlich kontrolliert und, falls er genehm ist, freigegeben. Für die jungen, aufsässigen Blogger war das kein Problem, flugs sind mehrere Klone von Mastellas Blog entstanden, die Mastellas Einträge 1:1 übernahmen und alle Nutzerkommentare ohne Zensur veröffentlichten. Aus der offiziellen Adresse von Mastellas Blog clementemastella.blogspot.com wurde so zum Beispiel dementemastella.blogspot.com. Oder um es ins Deutsche zu übertragen: aus Clemens Mastella wurde Demenz-Mastella. Die Seite imitiert das Original bis ins Detail. Andere Anti-Mastella-Blogs versuchen mit der einzigen Waffe der Wehrlosen, der Satire, Mastella der Lächerlichkeit preiszugeben. Nachdem Mastella versucht hat, einen seiner Gegenblogs schließen zu lassen, sind sofort neue Anti-Mastella-Blogs erschienen.
Ob Mastella auch mit dem Anti-Blog-Gesetz zu tun hat, weiß ich nicht. Vielleicht ist es eingemeinsames Anliegen vieler Politiker, von Prodi bis Mastella, die Blogs zum Schweigen zu bringen. Man kann es nicht anders interpretieren als einen Versuch, die Informationsfreiheit ein weiteres Stück zu verringern. Letzten Freitag kam durch den Blog von Beppe Grillo ein Gesetzentwurf ans Licht, der eine staatliche Regulierung sämtlicher Veröffentlichungen im Internet zum Ziel hatte. Der Entwurf sieht vor, dass jede Internetseite, und auch jeder Blog, bei einer staatlichen Behörde registriert werden müssen, wobei natürlich die allgegenwärtigen italienischen Verwaltungsgebühren anfallen würden. Um die Registrierung aber überhaupt erst starten zu können, muss der Antragsteller eine Gesellschaft gründen und einen verantwortlichen Journalisten benennen. Anders als in Deutschland, ist in Italien nur Journalist, der in der Journalistenkammer eingeschrieben ist. Und um das zu sein, muss man vorher staatliche Prüfungen ablegen, für die man nur mit einem Hochschulabschluss und anderen Bedingungen zugelassen wird.
Eine solche „Regulierung“ würde das Aus für sämtliche privaten Blogs und Internetseiten bedeuten, beziehungsweise deren Umzug in ein, wie Grillo es ausdrückte, demokratisches Land. Was den Staatssekretär Ricardo Levi geritten hat, eine solche Unverfrorenheit auszuarbeiten, ist noch nicht ganz klar, aber der Aufschrei schaffte es dann doch von Grillo bis in die Repubblica. Die Regierung versuchte erst einmal abzuwiegeln und meinte, das Gesetz gelte nur für „große“ Seiten, keineswegs für kleine private Blogs. Im Zweifelsfall würde die Behörde entscheiden, ob etwas registrierungspflichtig sei oder nicht. Und die Behörde hätte angeblich auch keine politischen Interessen. Wer’s glaubt... und selbst wenn: wie jede Behörde, hat auch sie einen Legitimierungsdruck und will wohl lieber zu viel als zu wenig verwalten. Minister Di Pietro hat angekündigt, dass er mit der Verabschiedung eines solchen Gesetzes die Regierung zu Fall bringen würde. Ich hoffe, er bleibt wenigstens in dieser Frage hart.

Von einem Anti-Mastella-Blog: Springfields korrupter Bürgermeister und Justizminister Clemente Mastella

Finale

So... jetzt habe ich wohl erst mal genug politisiert... in der nächsten E-Mail werde ich mich hoffentlich wieder fröhlicheren Dingen zuwenden können. Italienische Weihnachtstraditionen oder so. Falls ich dieses Jahr noch eine Rundmail schaffe. Falls nicht... über Weihnachten und Silvester bin ich wieder in Berlin.