lunedì 29 marzo 2004

maledetta primavera

Cari amici,
 
zum Frühlingsbeginn melde ich mich hiermit wieder aus Genua. Und ich hab auch einiges zu erzählen. Wie es schon fast Tradition ist, fange ich auch diese Mail mit dem Wetterbericht an.

Wetter

Was habe ich in der letzten Mail noch geschwärmt, der Frühling wäre bereits Mitte Februar hier ausgebrochen. Ich wurde eines besseren belehrt. Ende Februar lag Schnee auf meinem Auto. Ich muss zwar einräumen, dass der Winter hier vergleichsweise mild ist, aber es ist ziemlich nervig, seit Mitte Oktober fast immer das gleiche Wetter zu haben. Immer so zwischen 8-12 Grad. Manchmal gibt es Ausschläge nach oben oder unten, vor kurzem gab es hier sogar 3 Tage mit über 20 Grad, aber ich bin langsam dabei, jegliche Hoffnung aufzugeben, dass es noch mal besser wird. Vor einer Woche war ich in Monaco und da gab es wieder einen kurzen Hoffnungsschimmer, 20 Grad und Sonne. Aber die Rückfahrt führte uns, T. und ein paar Erasmus-Freunde waren auch dabei, wieder ins bewölkte Ligurien. T. meinte, dass auch in Ligurien fast immer Sonnenschein sei, aber seit ich da bin, nicht mehr. Ich hätte wohl das deutsche Wetter mitgebracht.

Na was soll’s, dafür ist er schließlich meine Sonne.

Die Nachrichten aus anderen Teilen Italiens und Europas beruhigen mich immerhin, dass nicht nur ich unter dem anhaltenden Winter leiden muss.

Es liegt wohl vor allem am Winter, dass nach einer Weile der Zauber dieses Landes verloren geht. Zumindest ist es dass, was ich hoffe. Wie auch Berlin im Winter nur grau wirkt, so ist auch Italien in der hässlichen Jahreszeit, la brutta stagione, kein Paradies. Und die kleinen Details im alltäglichen Leben, die einem als Deutschen, um es höflich auszudrücken, ungewöhnlich erscheinen, erstärken sich in der Winterperiode noch und hinterlassen einem eine zunehmend zwiespältige Meinung von diesem, trotz allem, sehr schönen Land. Zumindest häuft es sich, dass wir deutschen Erasmus-Studenten ins Lästern kommen. Es reicht dann meist aber auch, wenn dann doch mal wieder die Sonne rauskommt, dass man sich ins Auto setzt, dass man sonnenbebrillt und mit geöffnetem Schiebedach die Küstenstraße entlang fährt und alles ist wieder gut. Daher möchte ich die kleinen Gemeinheiten, die wir so über Italien austauschen, hier nicht erwähnen.

Politik

Es reicht ja, wiederzugeben, was mir T., schier unglaubliches, von der italienischen Politik erzählt hat. Diesmal geht es um die Regierung, die hier von rechten Parteien gestellt wird. Wobei das eigentlich ungenau ist, denn kann man eine Partei, die nur aus Berlusconi, seinen Anwälten und einigen verblödeten Anhängern besteht, als rechts oder links bezeichnen?

Da Berlusconi alle seine Gegner (= Nicht-Anhänger), als Kommunisten bezeichnet (er wird z.B. von kommunistischen Richtern verfolgt und von kommunistischen Journalisten verleumdet), hat sich diese Einordnung wohl durchgesetzt. Wie wir alle wissen, macht er nur bei Deutschen eine Ausnahme, die sind dann keine Kommunisten, sondern KZ-Aufseher.

Gewählt wurde er wohl, weil sich viele Italiener gedacht haben, der ist schnell reich geworden, vielleicht weiß er, dem Land zu helfen. Und wahrscheinlich auch, weil er 3 gut gehende Fernsehsender besitzt, die nicht gerade durch Unparteiischkeit glänzen. Durch welche illegalen Machenschaften er zum reichsten Mann Italiens wurde, haben dabei offenbar nur die wenigsten gefragt. Jetzt werden jedenfalls alle Gesetze, die Berlusconi einer illegalen Handlung bezichtigen, einfach geändert. Und da erschließt sich dann auch, der Sinn und Zweck, weswegen er in die Politik gegangen ist. Es geht also nicht um rechte oder linke Politik. Darum kümmern sich seine Koalitionspartner.

Fangen wir mit Umberto Bossis Lega Nord an. Da sich die staatliche Loslösung des reichen Nordens vom armen Süden erst einmal nicht durchsetzen lässt, fordert sie nur noch die Verlegung der Hauptstadt von Rom nach Mailand und eine föderalistische Neuordnung des Landes. Vielleicht ist diese Idee gar nicht mal so unvernünftig, aber da Bossi seine Auftritte gern mit Beschimpfungen Richtung Süden (terroni = Erdfresser, ladroni = Räuber) garniert, nimmt ihn in der Elite wohl kaum einer ernst. Und Berlusconi lässt ihn agieren, so lange er ihm nicht dazwischen pfuscht. Vor 10 Jahren haben Bossi und Berlusconi schon einmal koaliert, das ging schnell in die Brüche. Damals haben sie sich gegenseitig geschworen, nie mehr miteinander zusammenzuarbeiten, aber das ist alles vergessen. T. hat mir erzählt, dass Berlusconi der Lega Nord vor einigen Jahren eine 7stellige (in Euro) Spende hat zukommen lassen, mit der Option, das Geld zurückfordern zu können. Dies würde für die Lega heute die Pleite bedeuten. Daher streitet sich Bossi auch nur noch mit dem anderen Koalitionspartner, der Alleanza Nazionale.

Diese gilt als Nachfolgepartei von Mussolinis Faschisten, hat sich aber auf den Weg in Richtung Mitte gemacht. Ihr Vorsitzender, Gianfranco Fini, kommt sehr staatsmännisch daher und forderte vor einiger Zeit die Einführung des Ausländerwahlrechts bei Kommunalwahlen. Damit hat er Alessandra Mussolini, die Enkelin des Duce, aus seiner Partei getrieben und die Lega gegen sich aufgebracht. Denn die Ausländer wohnen vor allem im Norden und würden bestimmt nicht die extremistische Lega wählen.

Da T.'s Mutter bei den Democratici di Sinistra arbeitet, hören bei der Opposition seine Erzählungen auf. Das musste ich mir selbst aneignen. Die berechtigten Warnungen, dass die italienische Demokratie in Gefahr sei, wenn Berlusconi seine Macht ausbauen will, sind das eine, aber die Polemik im politischen Alltag ist halt das übliche Parteiengezänk, wie auch in Deutschland.
Und Freitag gab es einen Generalstreik, von den Gewerkschaften initiiert, um gegen die Rentenreformen zu protestieren. Die neuen, unmenschlichen Regelungen werden bedeuten, dass einige erst mit 65 in Rente gehen können. Das Problem der niedrigen Geburtenrate und der Überalterung der Gesellschaft, ist in Italien noch etwas größer als in Deutschland. Wer mal mit mir Bus fährt in Genua, wird das schnell merken. Wenn ein gebrechlicher, alter Mensch in den Bus kommt, steht keiner auf und macht einen Platz frei. Die Plätze sind schon von gebrechlichen, alten Menschen besetzt.


Universität

Eigentlich könnte ich an dieser Stelle fortsetzen, ein bisschen über Genua zu erzählen, aber das kann man wohl im Reiseführer besser nachlesen, wenn man auf dem Weg hierher ist. Da Anfang März die Uni wieder angefangen hat und ich mir auch fest vorgenommen habe, jetzt richtig loszulegen, werde ich lieber berichten, wie das hier an der Uni so vor sich geht.

Ich besuche 3 Kurse, jeweils 3mal in der Woche. Das heißt, ich bin 18 Stunden in der Woche in der Uni, um mir die Vorlesungen der Professoren anzuhören. Italienische Geschichtskurse sind nicht mit deutschen Seminaren zu vergleichen, ich hoffe aber dennoch, dass meine hiesigen Leistungen in Potsdam anerkannt werden. Generell läuft ein Kurs so, dass der Professor vorliest und die Studenten mitschreiben. So ähnlich wie in deutschen Vorlesungen. Die Studenten hier notieren sich das Gesagte aber nicht stichpunktartig, sondern fast Wort für Wort. Dann machen sie aber nach einer Weile mal 5 Minuten Pause und schreiben nicht mehr mit, obwohl es mir nicht so scheint, als ob jetzt weniger Wichtiges gesagt würde. Da zu jedem Kurs am Ende Klausuren geschrieben werden und dafür mehrere Bücher auswendig gelernt werden müssen, verstehe ich auch nicht so recht, warum man dann alles noch mitschreiben muss. Vermutlich nur um einen Eindruck zu gewinnen, worauf der Professor besonderen Wert legt. In meinem „Geschichte Osteuropas“-Kurs wäre dies die gesamte Geschichte aller Länder jenseits des eisernen Vorhangs seit Ende des römischen Reiches.

Dieser Kurs ist ein Extrembeispiel, in meinen anderen beiden Kursen ist es nicht so arg. Das Grundprinzip ist zwar das gleiche, aber im Etruskologie-Kurs geht es etwas lockerer zu. Der Professor, mir stellte er sich als M. vor, ist überhaupt eine angenehme Erscheinung im vergleichsweise strikt-disziplinierten Ligurien. Er kommt aus Neapel. Und so erklärte er den Studenten hier in einem Nebensatz, dass die Bezeichnung Ligurien von den Etruskern stammt. Als Ligurier wurden alle unverständlichen Fremden bezeichnet. Die Griechen hatten dafür den Begriff Barbaren. Und das sagte er mit so einem schelmisch-sympathischen Grinsen.

Ansonsten besuche ich noch einen Kurs zur Geschichte der Vereinigten Staaten, der meist sehr interessant ist. Leider ist es jedoch dort etwas ermüdend dort 2 Stunden ruhig zu sitzen und konzentriert zuzuhören. Normalerweise sind 90 Minuten vorgesehen.

Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich in all den Kursen alles verstehe, aber ich bin doch zufrieden, im Großen und Ganzen folgen zu können. Im Etruskologie-Kurs fällt mir das etwas schwerer, weil ich da kein Vorwissen habe, aber es geht trotzdem einigermaßen. Wenn ich dann am Ende des Semesters die Bücher lerne, werde ich hoffentlich durch die Klausuren kommen. Vielleicht schreibe ich aber auch Hausarbeiten, das muss ich jetzt mit Potsdam abklären. Im Osteuropa-Kurs und bei M., wo ich jeweils einen Schein machen will, habe ich da schon mal vorgefühlt, bei beiden könnte ich sogar auf deutsch schreiben!


Neuigkeiten

Nun komme ich gleich zum Ende, aber es gibt eine wesentliche Neuigkeit. Am Mittwoch ziehe ich um, aus 2 Gründen. Erstens haben sich die Wasserprobleme in der jetzigen Wohnung gehäuft, zweitens spare ich im neuen Zimmer 80 € pro Monat.

Ich ziehe bei K. ein, wo noch ein kleines, weniger schönes, aber halt billiges, Zimmer frei ist. Besucher sind trotzdem jederzeit willkommen.

Vor 1,5 Wochen waren wir in unserer WG 3 Tage ohne Wasser. Die Vermieterin hatte die Wasserzufuhr einfach abgestellt, weil in unserem Haus jeder Haushalt einen großen Tank hat, einige Haushalte zu wenig Wasser verbraucht haben und deren Tanks übergelaufen sind. Dadurch blieben 3 oder 4 Haushalte, darunter unserer, völlig ohne Wasser. Unser täglicher Wasservorrat von 400 Litern war so schon oft aufgebraucht, da war es natürlich kein Wunder, dass wir schnell im Trockenen standen. Als dann K. den Vorschlag machte, ich könnte vielleicht bei Ihr einziehen, habe ich Druck gemacht, damit wir das so schnell wie möglich hinbekommen. Meine Vermieterin war natürlich nicht begeistert, aber da wir keinen Vertrag haben, kann sie nicht viel machen. Ich muss nur sehen, dass ich morgen meine volle Kaution kriege.

Meine neue Adresse werde ich hier nicht veröffentlichen, da ich keine Post empfangen will. K. hat zum Nikolaus und zum Valentinstag jeweils ein Paket erwartet. Das erste ist noch immer unterwegs, das zweite als unzustellbar wieder in Deutschland angekommen. Das ist übrigens eines der Beispiele, womit Italien-Lästereien anfangen können.

Viel Spaß und einen schönen Frühling!
Daniel

PS: 2 Fotos sind angehängt: Foto 1 zeigt Schnee in Genua, allerdings blieb er nur kurze Zeit auf den Autos in den oberen Stadtteilen liegen. Foto 2 zeigt Monaco, davor: A., Erasmus-Student aus Südtirol. Er hat die italienische Staatsbürgerschaft, studiert in Salzburg und macht Erasmus, um italienisch zu lernen. Daneben V. aus Frankfurt/M., K. aus Halle, ich und T.