martedì 22 aprile 2008

il cuore ha sempre ragione

Cari amici,

Nachdem wieder einige Monate vergangen sind, ist es an der Zeit, Euch wieder auf den neuesten Stand in Sachen „Italien und ich“ zu bringen. Eigentlich wollte ich ja erst wieder schreiben, wenn ein paar definitive Neuigkeiten zu vermelden sind, aber da die einfach nicht eintreten wollen, fülle ich diese Mail mit einem Cliffhanger, der Euch dann umso gespannter die nächste Folge erwarten lässt.

Arbeit

Einen Moment noch und ich vermelde somit die schlechte Nachricht, die zwar auch eine gewisse Dramatik enthält, aber hoffentlich nicht das Ende der Welt bedeutet. Bevor es aber gleich losgeht, kommt aber erst mal eine gute Nachricht. Die Kapitelüberschrift kann ja zweierlei bedeuten und in meinem Fall fasse ich darunter sowohl die Magisterarbeit als auch die Erwerbstätigkeit.Bereits im Sommer wollte ich ja meine Magisterarbeit fertig schreiben, aber wie das Leben so spielt... es ist Sommer, die Sonne scheint, der Pool ruft und die wenigen freien Momente nach der Arbeit wollten nicht nur am Computer verbracht werden. Wenigstens die Recherchearbeiten waren bis zum Sommerende weitgehend abgeschlossen. So kam der Herbst und er brachte ungewöhnlich viele Wochenendüberstunden. Und als ich mir dann noch vor Weihnachten ein paar Tage frei nehmen wollte, brach sich mein Kollege G. erst mal den Arm und meine Planungen waren wiederum über den Haufen geworfen. Irgendwie habe ich es dann dennoch über den Jahreswechsel geschafft. Die Magisterarbeit wurde fertig. Und eine große Last, die zwar aufgrund eines interessanten Themas (Die deutsche Einheit im Spiegel der italienischen Presse, das Beispiel il manifesto) auch durchaus ein wenig Lust war, brach weg und mein weiterer Lebensweg war nun frei. Mittlerweile wurde die Arbeit auch bewertet und für „gut und überzeugend“ befunden. Und mein Abschlusszeugnis liegt in Kürze zur Abholung bereit.
Nun, dachte ich, jetzt kann ich mich nun auch völlig legitim von allen als „Dottor H.“ betiteln lassen (zur Erinnerung: ein Abschluss berechtigt in Italien grundsätzlich zum Führen eines Titels wie Dottore oder Ingegnere). Aber wie immer, musste ja auch nun wieder irgendein Problem auftreten, damit es einem auch ja nicht zu gut geht.

Schön sind sie ja schon, die Yachten. Auf der Wind haben G. und ich aber viel federn lassen.
Eine Woche nach Abgabe der Magisterarbeit brach zwischen meinem Arbeitgeber und der Werftleitung der große Streit aus, der letztendlich das Ende des Auftrages und das Aus der Arbeiten in Livorno zur Folge hatte. Von einem Tag auf den anderen saß ich nun zu Hause, für einen Monat bekam ich noch Gehalt und Schluss. Nachdem ich Anfang Februar noch mal kurz in Berlin war, um einige Angelegenheiten zu regeln, sitze ich nun seit Mitte Februar in der Toskana und warte darauf, dass die Tage vergehen und etwas passiert. In letzter Zeit scheint nun endlich auch etwas Bewegung in meine unzähligen Bewerbungen zu kommen, aber ob dabei nun wirklich etwas Handfestes herauskommt, ist noch nicht wirklich abzusehen.
Besonders verzweifelt war ich auch nicht direkt über den Verlust des Arbeitsplatzes. Das Ambiente war als Erfahrung sehr interessant, aber den Rest meines Lebens wollte ich dort auch nicht bewältigen. Da ich ja nun praktisch schon den Abschluss in der Tasche hatte, war ich auch bisher ganz optimistisch, relativ schnell etwas Neues zu finden. Wechseln wollte ich ohnehin, nur das Timing hätte ich sicher besser hingekriegt, wenn es an mir gelegen hätte.

Chaos und Inkompetenz waren auf der Werft nie weit: hier ein umgestürztes Kranfahrzeug

Auto

Nachdem wir nun das schlimme Thema abgehandelt haben, habe ich aber wieder eine sehr schöne Nachricht zu verbreiten. Anfang Februar war ich nämlich in Berlin, um erstens den 60. Geburtstag meiner Mutter zu feiern und zweitens mein Auto zu verkaufen. Aufgrund der italienischen Bürokratie (ich könnte darüber mal ein Kapitel schreiben, aber ihr würdet es ja doch nicht verstehen... man muss es erleben) ist es deutlich einfacher und vor allem billiger, ein in Deutschland angemeldetes Auto wieder nach Deutschland zu bringen und dort zu verkaufen, als es umzumelden und dann in Italien zu verkaufen... Vereintes Europa, wo hast du dich versteckt?
Letztes Jahr gab es im italienischen Fernsehen einen wunderschönen Fernsehspot von Alfa Romeo, in dem das Modell 159 mit dem Spruch beworben wurde „il cuore ha sempre ragione“- „Das Herz hat immer Recht“. Nun könnten Spötter sagen, dass die Vernunft offenbar gegen Alfa Romeo spricht, aber auch ich folge diesem Motto gern. Ich habe diesen Slogan ja schon gelebt, bevor Alfa ihn publiziert hat. Wäre ich sonst in Italien? Also habe ich auch beim Autokauf das Herz vor den Verstand gesetzt, obwohl mein neues Auto nicht nur schön, sondern auch komfortabel, sicher, luxuriös und vor allem sehr sparsam im Verbrauch ist.
Letzteres Attribut kann man Alfas nur schwerlich zusprechen, ich habe also Alfas Spruch im Kopf gehabt, aber es auf ein anderes Auto bezogen. Und welches das ist, ist für die fleißigen Leser unter Euch auch sicher nicht schwer zu erraten, ich habe es Euch ja schon letztes Jahr vorgestellt.

Schick von außen...
... und vor allem von innen!
Natürlich ist es ein Fiat 500 geworden. Was auch sonst? Bereits im November hatte ich ihn bestellt. Aus 12 Farben, 14 Innenraumdesigns, 9 Felgentypen, 3 Dachversionen und einer Unzahl von Extras galt es, ein Auto zusammenzustellen, dass einzigartig sein sollte. Fiat hat ausgerechnet, dass es mehr als 500.000 (die Zahl ist sicher kein Zufall) Möglichkeiten gibt, den 500 zu konstruieren. Großes Glück hatte ich trotz meiner sehr individuellen Konfiguration, dass ich lediglich drei Monate auf meinen 500 warten musste. Angekündigt waren fünf, manch einer wartet auf das Auto länger als auf ein Kind. Vielleicht hat Fiat im Juli auch deshalb Welcome Bambina auf die Werbung zur Präsentation des 500 geschrieben.
Die Leute aus meinem Dorf waren alle sehr angetan von meinem neuen Wägelchen, merkwürdig fanden sie lediglich, dass ich als Deutscher eine kleine italienische Trikolore auf dem Kotflügel kleben habe. Ich finde, sie hat Stil. So wie das ganze Auto. Und obwohl es natürlich technisch auf dem neuesten Stand ist, gibt es viele Designelemente, die an den alten, kleinen Fiat 500 erinnern. Und vor wenigen Tagen bin ich so einem begegnet.


Es wahr purer Zufall, als ich am Sonntag in der Nähe des Cisa-Passes zwischen Parma und La Spezia den Kleinen gesehen habe. Sofort habe ich angehalten, um ein paar Fotos zu schießen. Ganz neugierig, was da vor sich geht, hat die Dame des Hauses hervorgelugt und gleich die ganze Familie dazugeholt. Der Besitzer schließlich hat mir sein Auto gezeigt und mir einiges dazu erklärt. Von 1964 ist der Kleine und ist, wie man sieht, in einem perfekten Zustand. Ob mein 500 im Jahr 2052 auch noch so gut dasteht?


Der Kleine hat sogar noch sein altes, originales, schwarzes Kennzeichen. Die werden schon seit Jahrzehnten nicht mehr ausgegeben. Und damit er authentischer ist, hat auch mein 500 ein italienisches Kennzeichen. Komplett mit Provinzkürzel für Pisa... ich würde ja gern hier bleiben.

Politik


Und als Ausgleich zu schönen Autos, kommt auch in dieser Mail ein kleiner Abschnitt über die hässlichen Seiten italienischer Politik. Zu den Wahlen will ich nichts weiter sagen. Lediglich, dass das Ergebnis, aufgrund der schwachen Bilanz von Prodi auf fast allen Gebieten, nicht weiter verwunderlich ist.In der letzten Mail hatte ich Euch ja von Salvatore Cuffaro erzählt, der nach einer erstinstanzlichen Verurteilung vom Amt des sizilianischen Regionspräsidenten zurücktreten musste. Man muss sich um ihn aber keine Sorgen machen. Als einer von lediglich drei Senatoren wird er die katholische Zentrumspartei UDC in Rom, in der zweiten Kammer des italienischen Parlaments, vertreten. Aus seiner Partei kamen nicht umsonst zahlreiche Solidaritätsbekundungen nach seiner Verurteilung. Als der Komiker Beppe Grillo letztes Jahr seinen Vaffanculo-Day abhielt, verband er das mit dem Ziel, ein sauberes Parlament zu schaffen, es von Leuten zu befreien, die ernsthafte Probleme mit dem Gesetz haben. Immerhin hat sich die Zahl derjenigen nach den Wahlen von 100 auf 70 (letztinstanzlich Verurteilte waren es 25, jetzt 16, die anderen wurden vor allem durch Verjährungen vor definitiven Urteilen gerettet beziehungsweise die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen) reduziert. In der Hymne zu Grillos V-Day heißt es „Voi siete uno su cinque, noi siamo più di un milione” (Ihr seid einer von fünf, wir sind mehr als eine Million). Denn im alten Parlament war das Verhältnis von Verurteilten zu juristisch unbescholtenen Abgeordneten eben eins zu fünf. Meist ging es um Korruption, Bestechung, mafiöse Verwicklungen. Und in der derzeitigen Parteienlandschaft ist Cuffaros UDC führend in der Verurteilten-Dichte. Ein besonders schönes Beispiel über das Verhältnis der UDC zur Legalität und vor allem zum Anstand, ist jenes von Cosimo Mele. Dieser UDC-Abgeordnete hatte letztes Jahr im Sommer ein kleines Fest, man kann auch Orgie sagen, mit einigen Prostituierten in einem römischen Luxushotel gefeiert. Leider flog die ganze Sache dann auf, als eine der Prostituierten wegen einer Kokain-Überdosis ins Krankenhaus gebracht werden musste. Nun möge man denken, das so etwas überall passieren würde. Richtig. Aber in Italien hat Mele seinen Parlamentssitz nicht aufgeben müssen, es brauchte die Neuwahl, um ihn loszuwerden. Und viel skandalöser als Meles Kokain-Orgie (jeder braucht halt seinen Spaß) ist, was danach Lorenzo Cesa, Generalsekretär der UDC, verlautbart hat. Die Abgeordneten (die Bestbezahlten Europas) bräuchten eine deutliche Anhebung der Bezüge, damit sie auch ihre Familien nach Rom kommen lassen könnten. Man würde ja als Abgeordneter völlig vereinsamen. Eine Partei, die bei jeder Gelegenheit ihre katholischen Werte hochhält, kann in Italien mit solchen Worten die Skandälchen ihrer Abgeordneten rechtfertigen und wird dennoch wiedergewählt.
Vielleicht kann ja ein neuer V-Day, der am kommenden Samstag, dem 25. April, von Beppe Grillo veranstaltet wird, ein bisschen Bewegung in die italienische Politik bringen. Diesmal will er allerdings nicht auf die Verurteilten im Parlament hinweisen, sondern auf die Gleichschaltung der italienischen Medien.

Währenddessen will Berlusconi eine Justizreform in Angriff nehmen. Tatsächlich hätte das Land diese bitter nötig. Prozesse ziehen sich teilweise über Jahrzehnte in die Länge und gefährden letztlich die Rechtssicherheit. Vor einiger Zeit musste ein sizilianischer Mafiaboss aus dem Gefängnis entlassen werden, weil es der Richter in acht Jahren nicht geschafft hatte, eine Urteilsbegründung zu verfassen. Die Sorge ist allerdings, dass man doch eher den Bock zum Gärtner macht, wenn man Berlusconi eine Justizreform machen lassen will.

Finale

Frühling am Comer See, ein Blick von der Villa Monastero in Varenna
Letztes Wochenende war ich bei meinem alten Studienfreund M. in Gorgonzola, da kommt der leckere Käse her. Das ist in der Nähe von Mailand und gemeinsam haben wir dann einen Ausflug an den Comer See gemacht. Wie man auf dem Bild sehen kann, gibt es also auch im hohen Norden Italiens schöne Ecken. Und nachdem mir eine Nachbarin, die nur urlaubsmäßig alle paar Monate in die Toskana kommt, von der boomenden Wirtschaft in Mailand und Umgebung erzählt hat, bin ich nun am Überlegen, ob ich nicht auch dort mein Glück versuchen sollte. Sie findet die Toskana zwar auch sehr schön, wundert sich aber nicht, dass die Arbeitssuche hier schwer ist. Die Leute seien alle so „flegmatisch“ in der Toskana...
Von wo aus ich Euch das nächste Mal schreiben werde, ist daher überhaupt noch nicht abzusehen. Ob aus Pieve di Santa Luce, Bologna, Verona, Mailand oder Berlin... lasst Euch überraschen, so wie ich. Das Herz sagt Toskana und es mag zwar immer Recht haben, aber wo es mich am Ende hinverschlägt, weiß ich selbst noch nicht.

Ciao ciao,

Daniel