lunedì 2 aprile 2007

la casa di marzapane

Cari amici,

rechtzeitig zum Frühlingsbeginn melde ich mich wieder aus meiner italienischen Wahlheimat. In den vergangenen Monaten hat sich wieder ein wenig erzählenswerter Stoff angesammelt und daran möchte ich Euch natürlich weiterhin teilhaben lassen.

S.

Die Firma, für die ich arbeite, hat selbst kaum Beschäftigte, sondern mehrere Subunternehmer unter Vertrag, die für die Ausführung der Arbeiten auf den Schiffen verantwortlich sind. Einer dieser Subunternehmer war S. S. kommt ursprünglich aus Bangladesh, ist vor einigen Jahren nach Italien gekommen und hat in Ancona eine Yachtenlackierungsfirma gegründet. Mit dieser bewarb er sich erfolgreich um einige Aufträge bei unserer Firma in Livorno. Problematisch wurde es jedoch, als sich nach einiger Zeit herausstellte, dass er und seine Mitarbeiter nicht wirklich in der Lage waren, die Arbeiten in der erforderlichen Art und Weise auszuführen. S. jedoch ist eine jener Gestalten, die sich von solchen Details nicht beeindrucken lassen und tausend Gründe vorbringen, um das Vertrauen der Auftraggeber in seine, nicht vorhandenen, Fähigkeiten nicht zu verspielen. Und so versuchte S. also, sich durch alle notwendigen Arbeiten durchzuwurschteln. Und natürlich entstanden da weitere Probleme. Mit meinem Chef, seinem Auftraggeber konnte er aber nicht streiten. Und da V. als dessen Tochter und G., als ihr Freund, familiär mit dem Chef verbunden waren, war ich nun das schwächste Glied in der Kette, wo S.'s Intrigen ansetzten. Wie sehr ich zur Familie gehöre, war ihm natürlich nicht klar.
Da es meine Aufgabe als Logistikverantwortlicher ist, den Auftragnehmern die Mittel zur Arbeit zu organisieren, versuchte S. meine Fähigkeiten anzuzweifeln, um sich rechtfertigen zu können. Dazu ließ er absichtlich Zeit verstreichen, um immer erst im letzten Moment nach Dingen zu fragen, die er brauchte (Materialien, Beleuchtung, Gerüste, Belüftung, was man halt so braucht). Und auch wenn die Taktik nicht aufging, so musste ich mich öfter gegen diese Strategie zur Wehr setzen und letztlich entstand zwischen mir und S. eine starke Spannung, die von ihm fortlaufend durch Beleidigungen und Geschrei verschärft wurde.
Es lief schließlich alles auf einen Showdown hinaus, der dann auch Mitte Februar stattfand. S. war wieder einmal in Verzug und als ich ihm die Frage stellen wollte, wann er denn für den nächsten vorgesehenen Arbeitsschritt die Vorbereitungen abschließen wollte, ignorierte er mich einfach. Ich folgte ihm also und redete auf ihn ein, bis er sich umdrehte und mich anschrie, dass er mit mir nicht reden würde und dabei einige italienische Schimpfworte gebrauchte. Daraufhin erhob ich meinen drohenden Zeigefinger, um ihm zu erklären, dass er sich nicht erlauben solle, mich anzuschreien. Er schlug mir den Arm nieder, ich schubste ihn ein wenig an der Schulter und er fing an loszuzetern und schrie wild umher „polizia, carabinieri!“. Anschließend hat meine Firma sofort alle Verträge mit ihm gekündigt. Ich wurde von der Werftleitung für einen Tag suspendiert, da für sie die Schuldfrage nicht zu klären war.
Einige Tage später bekam ich schließlich die Aufforderung der Carabinieri, mich bei Ihnen zu melden. Dort erwartete mich maresciallo L., um mich darüber zu informieren, dass gegen mich Anzeige erhoben wurde. L. las mir also die Vorwürfe vor, war aber selbst nicht von deren Wahrheitsgehalt überzeugt, was offensichtlich wurde, als er mich fragte, was menare hieße. Ich verneinte und er erklärte mir lächelnd, dass es umgangssprachlich „schlagen“ bedeuten würde und ich dieses Wort laut Anzeige benutzt habe, um S. zu drohen. L. war überhaupt ein sehr freundlicher Mann, ein Carabiniere, so wie man ihn in der Fernsehserie präsentiert bekommt. Als S. später die Anzeige zurückzog, musste ich noch mal zu den Carabinieri, um mein Einverständnis zu erklären. Anschließend plauderte ich noch ein Weilchen mit L. (wir unterhielten uns zum Beispiel über seine Zeit im Irak, er war dort einige Monate stationiert) und er meinte, dass er mich mal in der Werft auf einen Kaffee besuchen kommen würde. S. hatte die Anzeige aus zwei Gründen zurückgezogen. Erstens hatte L. seinen alten Kumpel Z., den Sicherheitschef der Werft, gebeten, mal auf S. einzuwirken. Für Z., mit dem V. und ich uns schon seit einiger Zeit angefreundet hatten, war das natürlich kein Problem. Außerdem hatte meine Co-Chefin, T.'s Mutter, mit S. telefoniert. Der war ein wenig verzweifelt, da ihm die Verträge entzogen wurden und wollte uns mit der Anzeige sozusagen erpressen. Sie sagte ihm also, man würde darüber mit ihm reden, wenn er die Anzeige zurückgezogen hätte. Er tat dies, rief bei ihr an, sie sagte ihm „Bravo!“ und beendete anschließend das Gespräch.

Blitzer

Vor einigen Wochen zappte ich ein wenig durch das Fernsehprogramm und blieb schließlich bei den Regionalnachrichten hängen. Auf einmal war meine Heimatgemeinde im Bild. Ein Fernsehteam berichtete aus dem Rathaus, in dem ich mich vor einem halben Jahr angemeldet habe. Der Grund für die plötzliche Aufmerksamkeit die Santa Luce in italienischen Medien genoss, war folgender: auf die Einwohnerzahl hochgerechnet kassiert keine andere italienische Gemeinde soviel Geld an Strafzetteln wie meine. Die Einnahmen aus den Strafzetteln entsprachen denen der sonstigen Steuern und Abgaben zu satten 326%. Und das im Namen der Verkehrssicherheit.
Der Blitzer von Santa Luce steht an der Staatsstraße SS206, die Pisa und Cecina verbindet. Die ganze SS206 ist übrigens mit Blitzern gespickt. Der von Santa Luce steht an einem schnurgeraden Abschnitt. Weit ab von Ortschaften, innerhalb des Verwaltungsgebiets der Gemeinde, gilt dort ein Tempolimit von 70 km/h. Dieses Limit herrscht auf der ganzen SS206, ausgenommen einige 50-km/h-Abschnitte. Auf den Nebenstrecken, die meist weniger gut ausgebaut sind, gelten dann die üblichen 90. Und Blitzer hat man dann auch nicht mehr.
Der positive Aspekt ist, dass meine Gemeinde, mit Hilfe des Blitzers, von finanziellen Schwierigkeiten verschont bleibt. Für das Eintreiben der Gelder ist übrigens der gleiche Gemeindepolizist zuständig, der im Oktober meine tatsächliche Anwesenheit kontrolliert und damit meinen italienischen Wohnsitz legalisiert hat. Als ich ihn damals fragte, ob ich mein Auto ummelden müsste, meinte er, dass ihn das nicht interessieren würde. Jetzt weiß ich auch, warum. Der Mann hat wichtigeres zu tun, als sich um mein deutsches Kennzeichen zu kümmern.

Der Blitzer von Santa Luce.
Das famose Marzipanhaus

Ebenfalls beim Zappen bin ich auf eine andere Entdeckung gestoßen. Vor einigen Tagen lief die italienische Version von „Wer wird Millionär?“ Ich wäre bereits an der 50-Euro-Frage gescheitert. Gefragt wurde, woraus das Haus der Hexe aus dem Märchen „Hänsel und Gretel“ bestand. Die einzig richtige Antwort stand nicht zur Auswahl, der Kandidat kam jedoch mit der Antwort „Marzipan“ durch. Ein wenig Recherche im Internet brachte mich zu der Erkenntnis, dass das Hexenhaus in der italienischen Fassung tatsächlich aus Marzipan besteht. Nachfragen bei echten Italienern lösten nur Unverständnis aus. Ich wurde gefragt, woraus es denn in der deutschen Version bestünde. Pfefferkuchen wird mit pane speziato übersetzt und so nutzte ich dann auch diesen Begriff. „Das ist doch dasselbe!“ sagten mir G. und V. Nach weiteren Nachfragen stellte sich heraus, dass die beiden weder Pfefferkuchen noch Marzipan jemals gegessen hatten. Herr B. hingegen beschwerte sich, dass das wieder typisch für die Deutschen sei: „Uns erzählt ihr seit Jahrhunderten, dass es aus Marzipan bestünde und in Wirklichkeit hauste die alte Hexe in einem Pfefferkuchenhaus!“

Finale

Bevor ich mich verabschiede, noch ein Wort zur Magisterarbeit. Ja, es geht tatsächlich voran. Meine Forschungen in den italienischen Zeitungsarchiven werden durch eine sehr gut ausgestattete Pisaner Provinzialbibliothek und ihr unglaublich freundliches und hilfsbereites Personal enorm erleichtert. Demzufolge ist das Ziel, zu meinem 30. Geburtstag den Abschluss zu haben und damit endgültig kein Student mehr zu sein, in greifbare Nähe gerückt. Na ja, Zeit wird’s aber auch!

Ein frohes Osterfest und einen schönen Frühlingsanfang Euch allen!

Buona Pasqua!

Ciao,
Daniel

PS: Es folgen noch 3 weitere Fotos...

Livorno von den Bergen im Osten der Stadt aus gesehen.

Das Tal, in dem auch Pieve di Santa Luce liegt.

„Absolutes Müllabladeverbot. Kontrolliertes Gebiet.“ Gesehen in Pisa.