lunedì 16 febbraio 2004

primavera genovese

Cari amici,
 
mit meinem neuesten Bericht aus Genua läute auch ich endlich das neue Jahr ein. Und somit wünsche ich Euch allen auf diesem Wege ein buon anno und die besten auguri für eben dieses.

Frühling

Nach den endlosen Wochen in der Eiseskälte der westsibirischen Metropole Berlin, konnte ich Mitte Januar meinen Eiskratzer in die Rumpelkammer legen und mich auf den Weg in meine geliebte, italienische Heimat machen. Das besondere an Genua ist seine geographische Lage, eingezwängt zwischen Meer und Gebirge, was dem schmalen Küstenstreifen namens Ligurien ein ganz besonderes Klima beschert. Während ich in meiner letzten Mail noch den Dauerregen beklagte, bin ich nun voll des Lobes. Die tiefste Temperatur, die mein Thermometer (es speichert die Extremwerte) im Winter gemessen hat, war 3°, plus! Noch schöner als der milde Winter ist jedoch die Ankunft des Frühlings. Mein Heuschnupfen ist dafür immer ein zuverlässiger Gradmesser und er meldet sich bereits. Auch die Heizprobleme scheinen beseitigt, bis vor einigen Wochen waren es meist 18-19°, jetzt sind es immer wohlige 21° in meinem Zimmer. Dafür haben wir neuerdings Probleme mit dem Wasser, es ist öfter mal keins da. Irgendein Problem scheint es immer zu geben, spontan fallen mir auch noch streikende Busfahrer oder kaputte Telefonzellen ein. Nicht ein paar Einzelne, nein, das hat System. Gut, dass Ligurien vom Wintereinbruch vor ungefähr 2 Wochen weitgehend verschont blieb. Im Fernsehen wurde ausführlich über das Schneechaos berichtet, dass bis Apulien, sozusagen dem Hacken am italienischen Stiefel, reichte. In der Berichterstattung taten sich vor allem die Mediaset-Sender, die berlusconischen TV-Stationen, hervor. Die füllen die Nachrichten gern mit unpolitischen Themen. Der Tod von Marco Pantani ist gerade auch wieder eine gute Gelegenheit, sich nicht so sehr mit z.B. der Vertrauensfrage zu beschäftigen, die Berlusconi aktuell mit einem Gesetz über Fernsehwerbung bei RAI 3 verbindet. Ich hoffe, ich hab das richtig verstanden...

Jedenfalls konnte ich somit sowohl das schneebedeckte Rom als auch Florenz im Fernsehen sehen. Zwei Tage vorher habe ich einen Ausflug nach Pisa und Lucca gemacht, da gab es keinen Schnee, aber ich habe gemerkt, dass 2-3° auch in der Toskan a sehr kalt sind.

Illegal?


Lucca ist wirklich eine hübsche, kleine Stadt. Sollte man mal gesehen haben. Und als besonderes Andenken habe ich dort meinen zweiten Strafzettel bekommen. Dabei war mir nicht mal klar, dass ich das Auto regelwidrig geparkt hatte. Mit dem dritten Strafzettel, den ich an der Bushaltestelle vor meinem Haus vor einer Woche bekommen habe, hatte ich schon lange gerechnet. Kostenpunkt 68,25€. Selbst Strafzettel kosten in Italien ein Vielfaches. Wenn man sie denn bezahlt.

Da wir in unserer WG alle Ausländer sind, sammeln wir unsere kleinen Sünden am Kühlschrank und haben einen kleinen Wettbewerb ausgemacht. Wer im Sommer am wenigsten multe kassiert hat, gibt eine Flasche Wein aus. Als Autofahrer ist man natürlich im Vorteil, aber E., einer meiner, mittlerweile zwei, albanischen Mitbewohner, hat sich auch schon zweimal beim Schwarzfahren erwischen lassen. Merkwürdigerweise wurde ich noch nie kontrolliert, deshalb habe ich das Fahrscheinkaufen mittlerweile auch aufgegeben. Selbst, wenn ich die Strafen bezahlen müsste, ich habe mittlerweile Geld für mehr als zwei Strafen eingespart. Na ja, und meine Unzufriedenheit mit dem hiesigen Nahverkehr habe ich ja bereits geschildert.

Trotz all dieser Dinge, dem Schwarzfahren, dem Knöllchen-Ignorieren und auch dem Schwarzwohnen, kam E. neulich von einem Gespräch mit unserer Vermieterin und erklärte, dass wir das abonnamento der RAI, die Rundfunkgebühren, ca. 100 €, bezahlen müssten. Die Reaktion von N. und mir war ziemlich einhellig, für DIESES Fernsehen bezahlen wir nichts, wir können darauf verzichten. E. behauptet mittlerweile, er hätte allein bezahlt (nicht sehr glaubwürdig, er zetert sonst immer um jeden Cent) und damit das Recht, ständig all die grande-fratello-Sendungen (Big Brother) zu gucken.


Mein Fernsehkonsum beschränkt sich meist eh nur auf die Nachrichten, die ich während des Abendessens sehe. Vermutlich könnte man deutlich besser italienisch lernen, wenn man sich all die Shows rund um die Uhr ansieht. Der Preis dafür wäre aber die totale Verblödung, das möchte ich dann doch nicht riskieren. Einmal die Woche schau ich mir auch eine Show an, aber mehr aus landeskundlichem Interesse. Heute war es eine Quizshow mit einem dicken Moderator, der hier eine Art Star zu sein scheint, er präsentiert auch „Wer wird Millionär“ und macht nebenbei Werbung. Der Unterschied zwischen deutschen und italienischen Rateshows besteht weniger im Inhalt, als in der Aufmachung. In Deutschland fehlen einfach die jungen, halbnackten Mädchen, die artig am Rand sitzen, lächeln, applaudieren und gut aussehen.

Eine andere Show, die ich gesehen habe, nannte sich „stranamore“ und war die pervertierte Version von „Nur die Liebe zählt“. Es geht nicht darum, neue Paare zusammenzuführen, sondern alte. Da sitzt dann ein trauriger Mann in der Show und hofft, seine Frau wiederzubekommen. Leider will die nichts mehr von ihm wissen und lehnt es ab, sich die Videobotschaft ihres Gatten, anzusehen. Später ruft der Moderator noch die Frau an, versucht sie zu irgendwas zu überreden, aber sie sagt immer nur, dass sie nicht mehr will und ihr Ex schon wüsste, warum. In einer WG hat man beim Ansehen einer solchen Show viel Spaß, aber das läuft hier unter Familienprogramm.

Nun bin ich vollkommen vom Thema „Illegal?“ abgekommen, dabei wollte ich dazu noch eine Anekdote beisteuern. Seit Ende letzter Woche bin ich nun auch endlich Teil des clientelismo, der Günstlingswirtschaft. Bereits im letzten Jahr kaufte ich gelegentlich an der Service-Theke meines örtlichen Mini-Supermarktes Käse oder Schinken. Dabei fragte mich der Verkäufer, wo ich denn her käme (man erkennt mich überall als Ausländer, ein ganz neues Gefühl). Ich antwortete und so fing er an, mit mir einige deutsche Worte zu wechseln. Immer, wenn ich was bei ihm kaufte, kam es so zu einem Small Talk, wie er nur in kleinen Kiezläden möglich ist. Letzten Freitag wollte ich wieder mal 50g des teuren, aber unglaublich leckeren, Wunderschinkens San Daniele kaufen, er machte aber 100g draus und sagte: „ti faccio uno sconto“ (ich mach dir einen Rabatt). Der Grund ist ganz einfach, wir haben uns das Wochenende vorher in Genuas einziger Schwulendisko getroffen.

Schwulsein in Italien

Und schon sind wir beim nächsten Thema. Bei Semesterbeginn im Oktober letzten Jahres, sind mir neben Wohnungsgesuchen, kommunistischen Flugblättern und Lehrbuchverkäufen, wie sie an wohl allen schwarzen Brettern an italienischen Unis zu finden sind, auch A4-Blätter aufgefallen, die von einem 24jährigen angehängt wurden, mit dem Ziel Gleichgesinnte zu treffen. Der junge Mann hatte gerade entdeckt, schwul zu sein.


Da auch ich neu in der Stadt war, schrieb ich ihm eine Email. Es begann ein oberflächliches hin und her von Mails, und so merkte ich, dass es sich dabei um einen schüchternen Jungen handelte, der anscheinend nicht so richtig wusste, was er wollte. Da ich jedoch kurze Zeit später im Virgo, jener Schwulendisko, T. kennen gelernt habe, daraus auch mehr wurde und ich ihn mittlerweile als meinen Freund bezeichnen würde, blieb der Email-Kontakt mit A., so heißt er, weiterhin sehr oberflächlich. Nach meiner Rückkehr aus Deutschland lebte dieser Kontakt wieder auf und da ich in diesen endlosen Ferien eh immer Zeit habe, ließ ich mich zu einem Treffen mit ihm überreden. Wir tauschten unsere Nummern und vor ungefähr einer Woche rief er an und es kam zu einem spontanen Treffen. A. kommt nicht aus Genua, sondern aus Albenga, einem Ort 100 km westlich von Genua, in dem ich 1999 mal einige Tage gezeltet habe. Ach, welche Schicksale sich hinter den Mauern eines Ferienparadieses verbergen.

Er wollte von mir wissen, wie man sich einen schwulen Bekanntenkreis aufbauen könnte, ich sollte ihm berichten, wie ich das gemacht habe. Alles, was ich so nannte, Jugendgruppen oder Cafés, z.B., ist in Genua einfach nicht vorhanden. Es gibt nur diese eine Disko, in die ich ihn nicht gleich schicken wollte. Er kam jedoch selbst drauf und meinte gleich, dass er weder Führerschein noch Auto besäße und somit nicht in der Lage wäre, nachts von dort wegzukommen. Meine Antwort war, dass er dann die Nacht durchmachen müsste und einen Morgenzug nehmen müsste. Seine Eltern würden ihm jedoch nie erlauben, über Nacht wegzubleiben. Vermutlich ist A.'s Lage sehr speziell, aber sie ist eine Bestätigung des Klischees vom Italiener, der bis Ende 20 zu Hause wohnt und dort nichts zu melden hat.


Auch K., die Hallenserin, hat mir ähnliche Geschichten von ihren Bekannten erzählt. Und N.'s Freundin übernachtet auch nie bei ihm, weil sie nicht auswärts übernachten darf. Sie ist 25. T. musste ich regelrecht drängeln, dass er mal über Nacht bei mir bleibt. Schließlich gab er nach und faselte seinen Eltern was von Freunden vor, mit denen er in die Disko geht und mit denen er dann den Sonntag verbringt. Mittlerweile tut er das jedes Wochenende. Darauf kann man doch stolz sein, gelle?

A. habe ich geraten, mal ein Wochenende in Mailand zu verbringen. Dort würde es sicherlich Angebote für junge Schwule geben, wie man aus es aus Berlin gewohnt ist. Irgendeine Ausrede müsste er sich dafür allerdings einfallen lassen.

Finale

Eigentlich wollte ich in dieser Mail mal etwas genauer meine Stadt vorstellen. Aus 2 Gründen verschiebe ich das aufs nächste Mal. Erstens habe ich an dieser Mail, die ich immer zu Hause am PC schreibe, bereits 2 Stunden geschrieben, aus Versehen alles gelöscht und von vorn angefangen und nun keine Lust mehr, zweitens wollte ich auch Fotos von den liebevoll restaurierten Straßen im centro storico anhängen, aber ich warte noch, bis der Weihnachtsschmuck entfernt wird. Kein Witz!


Ciao... Daniel