venerdì 5 dicembre 2003

grande freddo

Cari amici,
 
so fangen sie immer an, meine beliebten Rundmails. Traurigerweise ist nur noch ein Drittel in der Mailingliste verblieben, aber immerhin scheint das ja überhaupt jemanden zu interessieren. Nach der Kritik eines einzelnen Herren aus Berlin-Charlottenburg, die Mails wären zu lang, habe ich mich entschlossen, die Mail in verschiedene Abschnitte zu teilen. Wenn also irgendwas langweilig für Euch ist, könnt Ihr zum nächsten Teil springen. Oder Ihr könnt jeden Tag nur einen Teil lesen, habt somit sogar für mehrere Tage Lesestoff... Nun denn!

Das Wetter und ich


Nun liege ich hier in meinem Krankenbett, es ist Dienstag nacht und ich kann nicht einschlafen. Und das hat mehrere Gründe. Erstens ich habe Halsweh, zweitens habe ich den zweiten Tag in Folge das Bett gehütet, den ganzen Tag geschlafen und kann jetzt nicht mehr. Drittens prasselt der Regen gegen die Fenster. Man könnte mich schon als poverino (Ärmster) bezeichnen, denn der ganze Ärger meiner Erkältung begann am Sonntagabend mit einem leichten Fieber. Seitdem wälze ich mich in meinem Selbstmitleid und jammere über das Klima in Genua und die Heizleistung meines Hauses. Es werden zwar immerhin 20° erreicht, aber in meinem Z ustand ist das zu wenig. Hinzu kommt noch, dass ich mein europäisches Krankenkassenformular E ??? zu Hause gelassen habe, ganz der Italiener der ich im Geiste und im Herzen schon immer war. Ich denke aber doch, dass ich wohl morgen wieder zur Uni gehen kann.
An dieser Erkältung trägt diesmal nicht die Klimaanlage des Autos meiner Eltern schuld (ach, ach, was war das für ein schöner Sommer in Berlin), nein, es ist das Wetter. Es ist zwar nicht so richtig kalt, unter 10 ° hatten wir es hier vielleicht 2-3 Tage, einmal waren es gar 6. Dafür regnet es fast ununterbrochen. In meiner ersten Mail hatte ich ja noch groß vom Wetter geschwärmt, aber bereits Mitte Oktober begann der Winter in Genua. Erstmals fielen die Temperaturen auf 12-13 °, was vor allem ein Problem wurde, weil ein italienisches Gesetz das Heizen vor dem 1. November verbietet. Nach 3 Tagen hatte der Bürgermeister ein Einsehen und setzte mittels Sonderverordnung das Gesetz für Genua außer Kraft. Diese erste Kälte (il primo freddo) war schnell ein beliebtes Gesprächsthema in ganz Genua. Bis über die Mitte des November hinaus war es dann wieder durchaus nett, ab und an mal Regen, jedoch auch Tage mit bis zu 20°. Aber seit ca. 1-2 Wochen regnet es nun fast ununterbrochen. Das soll so bis Ende Dezember weitergehen. So lange bin ich ja nicht mehr da.

Kommunisten


In meiner letzten Mail ist fälschlicherweise der Eindruck entstanden, ich würde nur auf Parties gehen, was wirklich nicht der Fall ist. Letzte Woche war ich 5 Tage in der Uni und nur an einem Abend in der Stadt unterwegs. Dieser Abend wird noch später erwähnt, jetzt erst einmal zum Wesentlichen.
Bereits bei meinen ersten Uni-Besuchen fielen mir die ersten Zeichen einer aktiven, kommunistischen Bewegung auf. Flugblätter hingen überall an den schwarzen Brettern und es gab auch einen Marxismus-Kurs.
Letzte Woche Donnerstag war ich gerade auf dem Weg von einem Unigebäude ins Nächste, als mich ein Student mit einem Stapel Zeitungen (irgendwas vom wahren Sozialismus) anhielt und mich einlud, bei einer Demonstration gegen den Irak-Krieg mitzumachen. Mein Einwand, dass es ja wohl zu spät dafür sei, ließ er nicht gelten, denn Bush habe zwar das Kriegsende erklärt, aber er dauere doch immer noch an. Ich meinte dann, das sei richtig, aber man kann doch den Irak jetzt nicht in dem Chaos allein lassen und die Amerikaner müssen das jetzt auch irgendwie zu Ende bringen. Letztendlich konnte er mich nicht zu der Demo überreden, aber ich bin am Donnerstag zu einer Diskussion über dieses Thema eingeladen. Ich bin ja mal gespannt (, ob ich was verstehen werde).

Heute musste ich aber nicht mal außer Haus gehen, um irgendwelchen Agitatoren über den Weg zu laufen. Ich war gerade dabei, mein Abendessen zuzubereiten, als es an der Tür schellte. Es stand eine junge Frau vor der Tür und sie wollte kommunistische Zeitungen verkaufen. Anscheinend ist „kommunistisch“ in Italien überhaupt nicht negativ besetzt, so normal klang das. Na ja, ich bekundete mein Desinteresse, worauf sie fragte, wie es mit einer Spende gegen den Irak-Krieg wäre. Ich wiederholte immer nur no grazie, ciao, während sie weiterredete. Also schloss ich einfach die Tür. Eine Spende gegen den Irak-Krieg? Wie soll ich mir das denn vorstellen? Vielleicht hab ich auch einfach was falsch verstanden? Man weiß es nicht...
Mein franco-portugiesischer Mitbewohner N. kam dann noch schnell, riss die Tür wieder auf und kaufte also dieses Organ der leninistischen Gruppen (steht so drauf, direkt neben der marxschen Formel „Proletari di tutti i paesi unitevi!“). N. sammelt nämlich absurde italienische Dinge. Er hat auch ein Flugblatt der Kommunisten gegen Drogenmissbrauch. Und über den Mussolini-Kalender, den ich ihm vor meiner Abreise schenken werde, wird er sich sicher freuen.

Das Nahverkehrssystem


Wie versprochen, noch einmal zurück zu dem einen Ausgehabend in der letzten Woche. Im Grunde genommen habe ich mich da länger mit K., einer Hallenserin, unterhalten. Unser Gespräch drehte sich hauptsächlich um das Nahverkehrssystem in Genua. Wobei „System“ eigentlich ein Euphemismus ist, es handelt sich um die Koexistenz verschiedener Buslinien. Die Problematik mit dem Ein- und Aussteigen habe ich ja bereits in meiner ersten Mail erwähnt. Findet man das am Anfang noch witzig, nervt es nach einer Weile nur und man fragt sich, welcher Trottel sich das ausgedacht hat. Man muss sich das so vorstellen: ein überfüllter Bus hält an einer Haltestelle, die Leute steigen im Eingang ein, wollen aber meist nach 1 oder 2 Haltestellen wieder raus und kämpfen sich daher panisch zum Ausgang durch. Hinzu kommt noch das Gemecker über die Pünktlichkeit. Das verstehe ich wiederum nicht, denn es gibt doch keine Fahrpläne, wie kann ein Bus da unpünktlich sein? Die Tafeln an den Bushaltestellen geben die ersten und die letzten Fahrten an, ansonsten noch die Taktfrequenz. An meiner Haltestelle kommt der Bus alle 8 oder alle 17 Minuten. Wann welche Frequenz gilt, steht nicht dran. Wüsste man dies, könnte man sich sicherlich ausrechnen, wann um die Mittagszeit ein Bus kommen müsste und dann auf Pünktlichkeit pochen. Aber so was macht doch keiner... oder? Das nächste Problem besteht darin, den passenden Bus zu finden, wenn man mal ans andere Ende der Stadt will. Es gibt keine Übersicht, wo welche Linien hinführen. Auf die Idee, Linien aufeinander abzustimmen, ist auch noch keiner gekommen. Es war wirklich schön für mich, dass K. mit dem Thema angefangen hat, ich bin also nicht der Einzige, dem es so geht. Wenn wir mal einen Ausflug nach Portofino machen und unseren Bundeskanzler dort treffen sollten, dann werden wir ihm sagen: „Gerd, mit den Bussen in Deutschland, das haste gut gemacht!“
Eine Anekdote habe ich noch zu dem Thema. Als ich vor einigen Wochen an einer Haltestelle auf meinen Bus wartete, kam plötzlich ein Bus mit der Aufschrift „außer Betrieb“. Die Masse der Mitwartenden stürmte den Bus, ich erhob mich eher verunsichert. Irgendwann fragte einer den Fahrer, wo er denn hinfahren würde. Es war offenbar die falsche Antwort, die Masse verließ den Bus, ich setzte mich wieder und nicht weit von mir stand ein Mann und sagte leise und resigniert siamo in Italia (wir sind in Italien). Ich lächelte nur.


An dieser Stelle bin ich eingeschlafen. Mittlerweile ist es Donnerstagabend und ich habe mir fest vorgenommen, morgen zur Uni zu gehen.

Eigentlich wollte ich zum Thema Busse nichts mehr schreiben, ist ja schon genug. Aber ich kann Euch nicht vorenthalten, dass ich gestern, Mittwoch, so gegen 11 Uhr, aus meinem Krankheitsschlaf gerissen wurde, durch das Dauergehupe eines Busses. Offenbar ging sie nicht abzustellen. 5 Minuten lang wurde sie langsam immer lauter, bis der Bus endlich an meinem Fenster vorbeifuhr, nach weiteren 5 Minuten war er wieder außer Hörweite. Das mag sich jetzt witzig anhören, aber ich hätte getobt, wenn mich armer Tropf nicht die Schwäche meiner Krankheit davon abgehalten hätte.


Scontrini


Das sind Kassenzettel, die man in Italien überall bekommt, und NIE wegwerfen darf. Also nach ein paar Tagen schon. Die scontrini gelten als Beweis, dass man das gerade abgeschlossene Geschäft, sei es auch nur ein caffé für 80 cent, legal gemacht hat. Demzufolge muss man diese aufbewahren, falls man mal in die Kontrolle der Guardia di Finanza gerät. So sagt es das Gesetz, so steht es auch in jedem Reiseführer. Das Erstaunliche aber: die meinen es ernst. Ich habe in mehreren Italien-Urlauben und auch in den 2 Monaten, die ich nun schon hier bin, noch nie einen Steuerpolizisten gesehen, der irgendwas kontrollieren würde, aber alle Italiener nehmen die scontrini und packen sie ganz selbstverständlich ein. Mein italienischer Freund T. warnte mich auch einmal, als ich ganz sorglos wieder einen scontrino wegwerfen wollte. Demzufolge kann ich mittlerweile, wenn ich nur lange genug in den Ablagen meines Autos suche, nachweisen, dass ich den caffé vor 4 Wochen zwar schwarz getrunken, aber korrekt bezahlt habe. Als ich im Lidl mal an der Kasse stand, beobachtete ich folgende Szene: eine Frau bezahlt, packt ihre Einkäufe zusammen und geht. Als sie an der Tür ist, schreit der Kassierer ganz laut: Ihr scontrino!! Alle gucken ganz besorgt, sie rennt zurück und scheint völlig erleichtert, als ob er sie vor sonst was bewahrt hat.

Klischees


Wenn ich immer von „den Italienern“ spreche, so sollte ich doch hinzufügen, dass ich hier in Ligurien, in Genua, bin und von den Menschen hier behaupten die restlichen Italiener, dass sie geizig seien. Nun, wenn ich mir meine Vermieterin betrachte, denke ich, 250€ sind ein angemessener Preis für die Wohnung. Und in dem Monat, den ich hier nun schon wohne, hat sie bereits 2 mal frisch gebackenen Kuchen vorbeigebracht. Nett, oder? Und nicht so geizig. Auch der Nachbar gehört zu einer besonderen Art. Er klingelte ungefähr 1 Woche nach meinem Einzug an der Tür und beschwerte sich, über die Ruhestörung. Dies alles aber total höflich verpackt, er hat nämlich vollstes Verständnis und war auch mal jung. Und im nächsten Nebensatz fragte er, wie wir die Pasta zubereiten. Er hat da nämlich noch viele Flaschen Pastasauce, die ihm seine Mutter immer mitgibt, und er bräuchte noch Jahre, um die zu verbrauchen. Auf diese Weise kam ich also zu einer Pastasauce, wie ich sie in meiner letzten Mail erbeten hatte. Also das Klischee vom geizigen Genuesen stimmt nicht.

Nächstes Klischee, die italienische Bürokratie. Ich habe da viel Böses gehört, vor allem in Florenz soll es etwas chaotisch zu gehen. Ich hatte mit meiner Aufenthaltserlaubnis keine Probleme. Ich ging zur questura, fragte am Eingang, wo ich hinsolle und bekam zur Antwort: Aufenthaltserlaubnis? Welche Nationalität? Ich: deutsch, er: ah, dann gehen sie einfach durch, sie brauchen sich nicht anstellen. So stell ich mir Europa vor... „Deutscher? Kein Problem, immer nach vorn!“
Nach 10 Minuten war ich da fertig und sollte nach 1 Woche wiederkommen. Ich hab ihnen 2 gegeben und es dauerte diesmal nur 5 Minuten, bis ich meine Aufenthaltserlaubnis hatte, mit der ich mich noch mehr als Italiener fühle.

Das Klischee vom Chaos stimmt also auch nicht. Die Genueser haben in einigen Bereichen geradezu preußische Eigenheiten, spontan fällt mir ein, dass sogar die Fußgänger an roten Ampeln stehen bleiben.
Nun mal zu der anderen Seite. Als ich gestern in der Apotheke in meinem fließenden Italienisch irgendwas gegen Erkältungen und Kopfschmerzen kaufen wollte, sagte die eine Verkäuferin zur anderen: der spricht ja richtig gut, während die Dritte fragte, ob ich das Oktoberfest kenne. Ich sagte ihr, dass ich doch nicht aus Bayern käme und auch kein Bier trinke, aber ich hab schon von gehört. A., die nette Spanierin, aus dem Sprachkurs, hat das mal ganz treffend ausgedrückt. Als wir gegenseitig erzählen sollten, was man in seinem Land über die anderen denkt, meinte sie: die Deutschen trinken Bier und sind immer ernst, nur Daniel ist anders, der ist nie ernst und trinkt kein Bier. Bravo! Ehrensache, dass ich den Franzosen höfliche Arroganz vorgeworfen habe und sagte, die Italiener kämen schon mit Sonnenbrille auf die Welt.

Finale


Alle, die einzelne Teile übersprungen haben, können sich hier wieder anschließen. Zum Abschluss bleibt zu sagen, dass ich die Diskussion gegen den Krieg nicht besucht habe, aus verständlichen Gründen. N. geht heute Abend, immer noch Donnerstag, zu einer anderen Diskussion und will sie heimlich filmen.


So, und nun ist es Freitag Mittag. Ich erkläre noch kurz die Fotos, die im Anhang stecken, und werde mich dann auf den Weg machen. Foto1 zeigt mein Zimmer, vor allem mein Bett. Im Grunde genommen besteht mein Zimmer auch nicht aus viel mehr. Foto2 zeigt den bereits erwähnten Mussolini-Kalender, gesehen im Einkaufszentrum von Savona. Foto3 zeigt die Piazza de Ferrari, das Zentrum Genuas, wie ich sie im September, als es noch schön war, fotografiert habe. Foto4, ebenfalls aus dem September, zeigt die alte Galeere im alten Hafen und Foto5, heute aufgenommen, es scheint wieder die Sonne!!!, zeigt meine Straße, die Via Bassano. Und einen Bus habe ich auch gerade erwischt...





 

martedì 11 novembre 2003

tutto sotto controllo

Cari amici,
 
nach längerem Warten wieder Post aus Italien. Mir geht es hier sehr gut, ich bin seit einer Woche glücklicher Bewohner eines zauberhaften Zimmers in einer wunderhübschen Wohnung. Ohne Tiere. Mit einer wunderschönen Küche, mit netten Mitbewohnern. Ach, was soll ich sagen. Es ist einfach toll. Aber leider, leider, leider: ganz umsonst ist das hier nicht: 250 Euro kostet mich der Spaß hier, für italienische Verhältnisse ist das sehr günstig, wenn man bedenkt, was ich geboten bekomme. Aber bei Signora A. hat mich das ganze 190 Euro gekostet, inklusive der Möglichkeit, das Festnetztelefon zu benutzen und dem Fernseher im Zimmer. Hier ist der Fernseher in der Küche, aber wirklich vermissen tu ich das italienische Fernsehprogramm nicht. Zum zappen ist es okay, aber sonst...? Erst einmal gibt es keine erkennbaren Unterschiede zwischen öffentlichen und privaten Kanälen. Beide bringen debile Shows, viel Werbung und auch ein paar Filme und Serien. Allerdings hilft das Fernsehen beim Erlernen der Sprache. Bestimmte Redewendungen, wie sie zum Beispiel in Werbespots oder im normalen Programm benutzt werden, lassen sich so leichter merken. Die Carabinieri in der gleichnamigen Fernsehserie haben immer tutto sotto controllo (alles unter Kontrolle), aber offenbar nur dort. Denn das Regionalfernsehen kann einem Angst und Bange machen, nur Überfälle, Unfälle und sonstige Katastrophen. Aber das ist bei uns ja nicht anders. Die Nachrichten im richtigen Fernsehen beschäftigen sich hauptsächlich mit italienischen Problemen, was ja auch irgendwie verständlich ist, aber mir fehlt da noch der Zugang. Eine gewisse Häme habe ich verspürt, als vermeldet wurde, dass Frankreich und Deutschland schon wieder zu viel Schulden machen. Mit Stolz wurde berichtet, dass Italien erst 2005 so weit sein wird.

Nun, zurück zu meiner Wohnung. Ich habe hier 2 Mitbewohner, einen Franzosen und einen Albaner. In Genua gibt es von letzteren sehr viele. Ganz Albanien scheint hier Zuflucht gesucht zu haben. Schon in meiner letzten Wohnung gab es 2 albanische Untermieter, und einer davon hat öfter in der Küche gesessen und auf albanisch telefoniert. Um ehrlich zu sein... keine schöne Sprache. Und er wurde dabei immer so laut. Aber bevor mir antialbanische Tendenzen unterstellt werden: der Zweite in der alten Wohnung, der in der jetzigen und die in meinem Sprachkurs sind alle sehr nett. So wie auch der Franzose, der eigentlich Portugiese ist, aber eben aus Paris kommt. Eine Sache fällt mir zu den Albanern aber doch noch ein. Gestern behandelten wir im Sprachkurs das Thema Aberglaube. Und jeder sollte aus seinem Land ein Beispiel nennen, das Glück bringt. In Albanien bringt es Glück, wenn man auf der Straße einen Menschen mit Down-Syndrom sieht... schon krank, oder?

Nächstes Thema: die Uni hat angefangen, der eigentliche Grund meines hiesigen Aufenthaltes. Und obwohl ich regelmäßig 2 Geschichtskurse und meinen Sprachkurs besuche, ist mir doch klar geworden, dass der Sinn des Erasmus-Programms fast ausschließlich darin besteht, Parties zu feiern. Es werden Parties organisiert, es gibt verbilligte Getränke (bezahlt das auch die EU??) und alle europäischen Nationen feiern gemeinsam die Nächte durch. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es nur darum geht. Indem die europäische Jugend sich so näher kommt, wird die europäische Einigung vertieft. Weil man das so direkt aber nicht machen kann, läuft nebenbei auch das Studium weiter. Mein erster Weg führte zu einer Professorin, die für mich zuständig ist. War eine nette Begegnung. Am Anfang sprachen wir italienisch, als ich ihr aber erklärte, wie das Studium in Potsdam funktioniert, musste ich ins Englische wechseln. Sie konnte kaum glauben, was ich ihr da erzählte. In Italien zählt im Grunde genommen alles, was man im ganzen Studium macht. Studiert man Geschichte in Potsdam, kann man im Grunde genommen machen was man will, erst am Schluss wird es ernst. Ganz ungläubig fragte sie mich wiederholt, wozu man die Arbeiten schreibt, ich antwortete, dass man sie schon bestehen müsse, ansonsten seien sie aber nur Training. Unfassbar! Um die Sprache, gerade im Politikstudium, besser zu lernen, gab sie mir anschließend einige Tipps. Zum Beispiel, dass es hilfreich wäre, öfter mal eine italienische Zeitung zu lesen. Und dann fing sie an, dass la Repubblica eher links sei, Corriere della sera mittig und der ganze Rest, da hielt sie inne, fing lauthals an zu lachen, und der ganze Rest sei rechts. Ich stimmte in ihr Lachen ein. Ein nettes Gespräch!

Ich finde schon wieder kein Ende. Dabei hab ich noch so viel zu erzählen...

Am Donnerstag zum Beispiel fand ich zum ersten Mal einen Strafzettel für Falschparken an meinem Auto. Darauf hatte ich schon die ganze Zeit gewartet, denn schließlich hat eine Bekannte, eine deutsche Erasmusstudentin, schon 15 davon. Und sie versicherte mir auch, dass ich sie nicht bezahlen müsste. Wollen wir hoffen, dass sie Recht behält. Man kann mich ja auch gar nicht finden. Ich habe zwar mittlerweile eine richtige Aufenthaltserlaubnis, aber da steht die alte Adresse drin, in der neuen wohne ich sozusagen schwarz. Meine Vermieterin fragte mich, ob ich auf einem Vertrag bestünde, aber wozu? Kostet nur Geld. Sowohl Verträge als auch Quittungen, eigentlich alles in Italien, müssen mit Steuermarken versehen werden, damit sie gültig sind. In einer Autozeitung habe ich gelesen, dass es in Italien spezielle „zu verkaufen“-Schilder gibt, die man ins Auto hängt, auch die müssen dann mit einer Steuermarke versehen werden. Selbst basteln ist nicht! So kann das Leben in Italien schnell richtig teuer werden. Und damit bin ich beim letzten Thema: Einkaufen.

Ein Gang durch italienische Supermärkte ähnelt dem Gang durch deutsche Tankstellen. Das Preisniveau ist ähnlich. Von einigen Ausnahmen, wie Getränken (es gibt auch keinen Dosenpfand!!!!!!), einmal abgesehen. Auch wenn man sich dann nicht mehr wie in Italien fühlt, ich gehe nur noch zu Lidl oder Penny, da kostet alles nur die Hälfte. Oder noch weniger.

Gestern Abend habe ich allerdings den Coop aufgesucht, um ein Glas Nutella zu kaufen. Ich warte so vor mich hin (an der Kasse), als ich hinter mir eine übelriechende, lallende Gestalt wahrnehme, wie man sie von Lidl am Innsbrucker Platz gewohnt ist. Und bald wurde mir klar, dass er auf deutsch lallte. Wie kommt ein deutscher Penner (in seinem Korb war Wein in Tetrapaks) in einen genuesischen Supermarkt? Der Schock sitzt noch immer.

Schöne Grüße aus Italien!
Daniel, der Liebe

mercoledì 15 ottobre 2003

che cosa vuoi dire?

Cari amici,
 
nach etwas mehr als einer Woche schicke ich nun meinen ersten Erfahrungsbericht aus Genua. Nun, was soll ich sagen. Es ist sehr schön, natürlich.

Aber manchmal bleibt man auch staunend und irritiert stehen und wundert sich. Zum Beispiel darüber, dass genuesische Linienbusse genau gekennzeichnete Ein- und Ausgänge haben. Und wehe, man steigt in der Mitte des Busses ein oder hinten aus. Man erntet böse Blicke von allen Seiten, wundert sich zunächst und versteht irgendwann, dass auch Italiener pedantisch sein können. Irgendwann fragt man sich, warum in Berlin nicht an jeder Bushaltestelle das blanke Chaos ausbricht und überall Verletzte rumliegen, die sich beim ein- und aussteigen umgerannt haben. Dass die Italiener durchaus Improvisationstalent haben, beweisen die zahllosen motorini. Das sind jene verflixten kleinen Mopeds, die ständig vor, neben, hinter und irgendwann vermutlich auch unter einem (wenn man im Auto sitzt) oder über einem (wenn man Fußgänger ist) sind. Eine Erfindung, die man nie auf dieses Volk hätte loslassen sollen. Genauso wenig wie die cellulari. Es gibt unter den Italienern wohl keinen einzigen, der kein Handy hat. Überall und in jeder Situation hört man irgendwen pronto rufen. Gut, man wird auch in Deutschland ständig Zeuge von Privatgesprächen, die man lieber nicht mithören möchte, aber ich habe in Berlin noch keinen telefonierenden Busfahrer erlebt. Also jedenfalls nicht während der Fahrt.


Nun aber zu einem anderen Thema, ich muss noch mal den Ärger über die Sekretärinnen hier in der Uni rauslassen. Es fängt damit an, das man sie bei irgendwelchen Privatgesprächen stört, und das Resultat ist, dass man keine Auskunft erhält. In meinem Fall war das Problem folgendes. Um in den Sprachkurs zu kommen, musste ich erst einen Einstufungstest absolvieren. Nur wann und wo dieser stattfand, konnte mir keiner sagen. Das Auslandsamt schickte mich zur Fakultät für ausländische Literatur. Das kam mir schon merkwürdig vor. Der Pförtner meinte auch, dass das hier nicht sein könne, was immer ich suchen würde. Hier gäbe es keine Italienisch-Sprachkurse. Er schickte mich stattdessen zur nächsten Fakultät. Was das für eine war, weiß ich auch nicht mehr. Dort traf ich eine dieser Sekretärinnen. In einem sehr eleganten Kleid und wirklich gutaussehend saß sie in ihrem Büro und unterhielt sich mit irgendeiner anderen signora. Als ich dazu kam, widmete sie mir nach einer Weile auch ihre Aufmerksamkeit, um sich anzuhören, was ich für ein Problem hätte. Nun, ich begann ihr zu erklären, dass ich Erasmus-Student sei, es für diese Spezies einen Sprachkurs gäbe und irgendwann am Montag zu irgendeiner Zeit ein Einstufungstest stattfinden solle. Sie verstand auch tatsächlich, blätterte in ihren Unterlagen und sagte: ja, um 17 Uhr in Raum so und so, also in 2 Stunden. Es war aber Donnerstag. Ich meinte, das kann nicht sein, der Test ist ja erst ab dem 13.10., also Montag und die Kurse fangen erst später an, und es gibt ja auch verschiedene Kurse. Sie überlegte kurz und kam zu der Überzeugung, dass sie sich mit dem Problem nicht länger beschäftigen wollte und wechselte zu einer anderen Strategie. Auf alles, was ich nun sagte, erwiderte sie nur che cosa vuoi dire? Was auf deutsch heißt: Was willst du sagen? In meiner Unsicherheit begann ich nur noch zu stammeln: test, corso di lingua, lunedi und sie funkelte mich nur noch an und rief cosa vuoi dire? eh? Sie schickte mich weg, gab mir aber den Tipp, zu einem anderen Büro zu gehen, das gleich aufmachen würde. Natürlich konnte man mir da auch nicht helfen und schickte mich zur Italianistik. Voller Verzweiflung ging ich zurück zum Auslandsamt, wo es plötzlich einen Aushang gab, mit den von mir benötigten Informationen.

Der Test fand auch tatsächlich am Montag statt, und am Freitag werden die Ergebnisse irgendwo ausgehangen. Vielleicht wissen andere Erasmusler dann, wo das sein wird. Ich bleibe einfach gelassen und kümmere mich um andere Dinge. Zum Beispiel bin ich im Moment damit beschäftigt, eine neue Unterkunft zu suchen. Ich wohne ja bei einer signora anziana, einer älteren Frau. Die ist furchtbar nett, wirklich. Aber sie hat viele Katzen, die genaue Anzahl weiß ich nicht, und einen Hund. Das ist mir in dieser Intensität irgendwie entgangen, als ich mir das Zimmer angeguckt habe. Na jedenfalls riecht es ein bisschen in der Wohnung, auch in der Küche. Vielleicht bin ich verwöhnt und nicht anpassungsfähig genug, aber mich stört das. Zumal ich das Erasmus-Jahr genießen möchte. Es gibt auch noch einige andere Dinge, die mich etwas stören. Zum Beispiel redet diese Frau ohne Unterbrechung, erzählt mir Dinge, die mich nicht interessieren, zu mal ich höchstens ein Drittel ihrer Worte verstehe. Neulich wollte ich einkaufen gehen, sie hat angefangen, zu erklären, wie billig und toll der neue Lidl ist. Und dann fing sie an, mir lang und breit den Weg dahin zu erklären. Wirklich sehr hilfsbereit... aber es kam noch schlimmer. Ich wollte also los, da meinte sie, ich solle doch 20 Minuten warten, dann würde sie noch duschen und dann könnten wir zusammen dahin fahren. Eine schreckliche Vorstellung. Man fährt durch Genua, hochkonzentriert, um sich gegen alle anderen Verkehrsteilnehmer, vor allem die motorini, durchzusetzen und die ganze Zeit redet diese Frau. Und stellt Fragen. Wie zum Beispiel die, was man denn macht, wenn man mit dem Geschichtsstudium fertig ist. Darauf fällt mir schon auf deutsch keine Antwort ein.


Ich hab ihr dann gesagt, dass ich lieber alleine einkaufen möchte.

So, jetzt aber erst einmal genug mit der Kritik. Sie ist natürlich mit einem Augenzwinkern versehen. Nicht, dass Ihr glaubt, es gefällt mir hier nicht. Nein, ich bin wirklich zufrieden. Und wenn ich erst eine ein wenig bessere Wohnung habe, bin ich bestimmt noch glücklicher! Es gibt so viele schöne Dinge hier, die mich alles Andere vergessen lassen. Jedes Mal, wenn ich irgendwas über das Berliner Wetter erfahre, huscht ein Lächeln über mein Gesicht. Also wir pendeln hier immer so um die 20°. Nachts stürzen die Temperaturen zwar schon auf 16-17° ab, aber da muss man sich halt etwas wärmer anziehen. Regen hatte ich erstaunlicherweise auch noch nicht erlebt. Wird aber sicher noch kommen. Aber bisher ist es einfach grandios, durch die Stadt zu flanieren, hier und da einen caffè zu trinken und den Tag mit einer pizzetta zu beschließen. Macht man natürlich nicht immer. Und der Alltag kehrt auch hier langsam ein. Aber noch bin ich in so einer leichten Urlaubsstimmung. Obwohl in dieser Woche die Uni begann. Ich muss nachher auch zu einem Kurs. In meiner nächsten Mail werde ich dann wohl von den Erfahrungen mit meiner Professorin (sehr nett), den Kursen, den Erasmus-Parties und anderen Dingen berichten.


Bis dahin alles Gute

Ciao
Daniele