Cari
amici,
nach dreieinhalb Jahren wird es wieder Zeit, Euch von meinem Leben in Italien zu berichten. Es hat sich einiges an Material angesammelt, was ziemlich drastische Änderungen nach sich gezogen und meinem Leben eine neue Richtung gegeben hat. Wie der Eine oder Andere schon aus der Überschrift verstanden haben wird, ist ein weiterer Umzug Anlass dieses neuen Blogbriefes. Aber das ist nicht alles. Es gilt, neue Herausforderungen anzugehen und zu meistern und nachdem ich eine lange, dunkle Zeit überwunden habe, die passender Weise in den Winter fiel, bin ich jetzt wieder zuversichtlich.
L'Italia che funziona
nach dreieinhalb Jahren wird es wieder Zeit, Euch von meinem Leben in Italien zu berichten. Es hat sich einiges an Material angesammelt, was ziemlich drastische Änderungen nach sich gezogen und meinem Leben eine neue Richtung gegeben hat. Wie der Eine oder Andere schon aus der Überschrift verstanden haben wird, ist ein weiterer Umzug Anlass dieses neuen Blogbriefes. Aber das ist nicht alles. Es gilt, neue Herausforderungen anzugehen und zu meistern und nachdem ich eine lange, dunkle Zeit überwunden habe, die passender Weise in den Winter fiel, bin ich jetzt wieder zuversichtlich.
L'Italia che funziona
Das Italien, das funktioniert. Das kann man wirklich von Bologna sagen. Ich habe Euch bereits vor dreieinhalb Jahren von Bologna vorgeschwärmt und mir fiel es wahrlich nicht leicht, Bologna den Rücken zu kehren. Ich liebe diese Stadt nach wie vor. Nicht nur, dass dort alles funktioniert, die Stadt bietet auch außerordentlich viel Leben und Abwechslung und ich werde es vermissen, dermaßen zentrumsnah zu wohnen und, je nach Verkehrsmittel, zehn bis zwanzig Minuten zu brauchen, um mich ins Leben zu stürzen. Und nebenbei die wunderschöne Altstadt zu genießen, die nicht so museal wie in den italienischen Touristenhotspots daherkommt, sondern einfach mit echtem Leben erfüllt ist. Hinzu kommt ja auch noch, dass Bologna ein gastronomisches Schwergewicht ist und dem kann man in Bologna nicht entgehen, auch wenn Pizza und Kebab der emilianischen Küche mittlerweile schwere Konkurrenz machen. Emilianische Küche gibt es trotzdem an jeder Ecke. Schwierig wird es allerdings, ein bestimmtes Gericht zu bekommen, dass nur Lokale anbieten, die ausländische Touristen zufriedenstellen wollen: spaghetti alla bolognese haben den Weg nach Bologna bislang nur sporadisch und über Umwege gefunden. In Bologna isst man stattdessen tagliatelle al ragù , also die langen, breiten Eiernudeln. Wer einmal richtig schlemmen will, sollte vorherige Mahlzeiten leicht halten, damit er abends richtig zuschlagen kann. Als Vorspeise halten erst einmal Schinken und Aufschnitte her (die mortadella kommt aus Bologna und hat dort ihr eigenes Fest), dazu die regionalen Käse, der Parmesan beispielsweise ist in Verbindung mit Auberginen (melanzane alla parmigiana) sehr köstlich. In Italien gibt es anschließend zwei Hauptgerichte, ein kohlenhydratelastiges (primo) und ein proteinlastiges (secondo). Ich empfehle gramigna con panna e salsiccia (Pasta mit Sahne und Stücken grober italienischer Bratwurst) und die cotoletta alla bolognese (Kalbsschnitzel bedeckt mit Schinken und Parmesankäse). Zum secondo wird gern noch eine Beilage bestellt, verdure grigliate (gegrilltes Gemüse) gehen immer. Die emilianische Küche ist nicht wirklich mediterran leicht.
Wer etwas weniger Geld ausgeben will, hat eine große Auswahl an Aperitivolokalen, die sind keine bolognesische Besonderheit, sondern in ganz Italien zu finden. Ursprünglich ist der aperitivo ein alkoholisches Getränk, dass die Leute in den entsprechenden Lokalen trinken, wenn sie aus der Arbeit kommen und bevor es nach Hause und später zum Abendessen geht. Dazu wurden immer ein paar Knabbereien wie Chips und Nüsse gereicht. Mittlerweile wurde in vielen Lokalen das Konzept so verfeinert, dass man mit dem Getränk auch den Zugang zu einer Art All-you-can-eat-Buffet erhält, wo man sich mit Häppchen aller Art den Bauch vollschlagen und das Abendessen ersetzen kann. Da Bologna mehr als andere Städte von den vielen Studenten geprägt wird, ist die Aperitivokultur natürlich bei diesen wunderbar angekommen. Für fünf bis zehn Euro einen Drink und pappsatt. Und anschließend geht es weiter auf Kneipentour und auch hier kann man sich teilweise für wirklich wenig Geld betrinken. Das ist allerdings der Stadtverwaltung zunehmend ein Dorn im Auge und stellt für viele Anwohner auch eine Belästigung dar. Allenthalben wird der degrado (Verfall) gewisser Zonen der Innenstadt beklagt. Das hatte ich zwar so nicht wahrgenommen, aber ich habe ja auch nicht in den entsprechenden Straßenzügen gewohnt.
Eigentlich habe ich den degrado überhaupt nicht als so problematisch empfunden, im Gegenteil. Wie schon gesagt, Bologna habe ich als ein funktionierendes Gemeinwesen wahrgenommen, in dem die Menschen im Allgemeinen sehr freundlich, umgänglich und herzlich sind und indem die Dinge, auf die es ankommt, auch funktionieren. Beispielsweise hatte ich vor Jahren in Genua immer über die Busse gejammert, in Bologna kann ich dem Nahverkehr nur ein Lob aussprechen. Die Busse sind meist pünktlich, einigermaßen in Schuss und bringen einen relativ schnell überall hin. Da ich relativ verkehrsgünstig gewohnt habe, meist, ohne umsteigen zu müssen.
Wer
zu mir wollte, musste einfach Richtung Rosa Luxemburg fahren
Die
Stadt gibt sogar Tipps: angesichts einer Hitzewelle sollte man
Wasser, Obst und Gemüse zu sich nehmen.
Auch
andere öffentliche Einrichtungen bestätigen, dass in Bologna die
Dinge gut funktionieren. Das Krankenhaus Sant'Orsola
beispielsweise wurde vor zwei Jahren als Italiens bestes Krankenhaus
ausgezeichnet und bevor ich in die Details gehe, kann ich nur
bestätigen, dass ich dort bis zu einem gewissen Punkt gute
Erfahrungen gemacht habe. Von weither kommen die Patienten nach
Bologna in dieses Krankenhaus, um sich dort behandeln zu lassen. Im
Sommer hatte ich Leute in Apulien kennengelernt, die vom Sant'Orsola
schwärmen und im Herbst habe ich andere aus den Marken
kennengelernt, die auch extra nach Bologna kommen, um
sicherzustellen, die beste Behandlung zu bekommen.
Eine
weitere tolle bolognesische Einrichtung, die ich schätzengelernt
habe, ist der unterirdische Bahnhof für die
Hochgeschwindigkeitszüge, die ich in den letzten Jahren ausgiebig
genutzt habe, um öfter mal in die Hauptstadt zu entschwinden. In
zwei Stunden bringen einen die Züge nach Rom und legen dabei fast
400 km zurück. Und da auf Italiens Hochgeschwindigkeitsstrecken ein
privates Unternehmen namens italo
der staatlichen Trenitalia
Konkurrenz macht, kann man, rechtzeitiges Buchen vorausgesetzt, sehr
günstig verreisen. Mal mit dem einen, mal mit dem anderen Anbieter.
Selbst wenn man spontan verreist und die Normalpreise zahlen muss,
kommt man günstiger nach Rom als mit dem eigenen Auto, was natürlich
auch daran liegt, dass die Kosten für die Autofahrten durch
exorbitante Autobahngebühren und erhöhte staatshaushaltsrettende
Kraftstoffsteuern nach oben getrieben werden.
Und
noch immer ist nicht Schluss. Noch etwas wird mir in Zukunft fehlen.
Mein Fahrrad, das mir in all den Jahren in der Emilia, sowohl in
Cento als auch in Bologna, ein treuer Begleiter war. Die Leidenschaft
ging so weit, dass ich Autos gewechselt habe, um das Fahrrad bequemer
transportieren zu können. Und so konnte ich tolle Radwege in der
Emilia, der Lombardei, dem Veneto und der Toskana entdecken. Von
Urlauben in anderen Ländern ganz zu schweigen. Facebooknutzer werden
sich an meine Urlaubsfotos mit Fahrrad erinnern. Gerade die Emilia
und die Poebene haben es mir leicht gemacht, diese Leidenschaft
auszuleben, da die Landschaft topfeben ist und ich keine
unsymphatischen Anstiege bewältigen musste. Obwohl ich es auch
gewagt und geschafft habe, die Berge am südlichen Stadtrand Bolognas
zu erklimmen und mit dem Fahrrad zur Wallfahrtskirche San
Luca
zu fahren. Mit anschließender Schussfahrt zurück Richtung
Innenstadt.
Durch
den Umzug hat sich das mit dem Radfahren aber erst einmal erledigt,
in meiner neuen Umgebung ist das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel
nicht zu gebrauchen und meine neue Wohnung ist nicht groß genug, um
den Platz unnötig mit einem Fahrrad zu blockieren. Sollte ich Lust
auf Radtouren haben, dann fahre ich einfach irgendwo hin und miete
ein Fahrrad, wie ich es im Sommer mit A. in Südtirol gemacht habe,
um vom Reschenpass nach Meran zu radeln.
Mit dem Fahrrad in der Emilia: an der Wallfahrtskirche San Luca, in Comacchio oder auf der Rennstrecke von Imola
Mein Lebensretter
A. habe ich vor einigen Jahren kennengelernt und zwischen uns hat sich eine außergewöhnliche Verbindung entwickelt, die dazu geführt hat, dass wir uns gegenseitig als „Familie“ betrachten, obwohl wir nicht im herkömmlichen Sinne zusammen sind. Und obwohl zwischen uns beiden eine große Entfernung lag, er in Rom, ich in Bologna. Dank italo und Trenitalia konnten wir diese Entfernung aber überaus regelmäßig überbrücken und uns gegenseitig besuchen und unsere „Familienbande“ vertiefen. In diesen Jahren haben wir schon viel miteinander erlebt und unternommen, aber wie sehr ich mich auf A. verlassen kann, zeigte sich vor zwei Jahren, als A.'s Liebe gepaart mit Starrsinn und Entschlossenheit mir praktisch das Leben gerettet haben.
Schon seit einiger Zeit häuften sich einige leichte Anzeichen, dass etwas nicht ganz in Ordnung sein würde und rein theoretisch war mir auch klar, dass man normalerweise auch mal einen Arzt aufsuchen sollte, wenn etwas nicht läuft. Für mich waren Arztbesuche allein aus dem Grund zu vermeiden, weil dann meine Arbeit liegen bleiben würde und ich damit Kollegen und Kunden enttäuschen könnte. Dieses überzogene Pflichtgefühl hatte mir A. schon in der Vergangenheit, wenn ich mal eine leichte Erkältung hatte, vorgeworfen. Die leichten Anzeichen waren auch jetzt nicht so dramatisch, dass ich mir wirklich Sorgen gemacht hätte. Ein paar Wehwehchen ließen sich dann aber nicht mehr vor A. verstecken, als er an einem Wochenende bei mir in Bologna war. Als mir dann zusätzlich auf einmal schlecht war, zerrte er mich zum Bereitschaftsarzt und begann damit, eine lange Reihe von Untersuchungen einzuleiten, an deren Ende endlich eine Diagnose und eine Therapie stand. Die ersten Arztbesuche, zu denen mich A. gezwungen hatte, waren zwar erst einmal verlorene Zeit, weil mein Hausarzt eher im Dunkeln rumstocherte, anstatt auf meine Hinweise einzugehen, aber immerhin war ein Anfang gemacht. Erst auf mein Insistieren bekam ich dann von meinem Hausarzt eine Überweisung für eine Untersuchung, die ich dann irgendwann bei Gelegenheit mal machen lassen wollte. Als A. davon Wind bekam, war kein Halten mehr. Ich war gerade bei ihm in Rom und er setzte sich sofort an Computer und Telefon, um sofort bei einer privaten Klinik diese, von ihm als wichtig betrachtete, Untersuchung machen zu lassen und keine Zeit zu verlieren. Der sonst oftmals so unorganisierte A. zeigte bei dieser und kommenden Gelegenheiten, dass er es drauf hat, wenn es wirklich wichtig ist.
Der Befund war alarmierend genug, dass der Arzt uns sofort zur Rettungsstelle geschickt hat, um dort weitergehende Untersuchungen zu vereinbaren. Dies taten wir auch, aber nach meiner Rückkehr nach Bologna am nächsten Tag, wurde ich dann am Montag, 2. Mai 2016, im Sant'Orsola vorstellig. Dort verlor man keine Zeit und in meinem Fall zeigte sich das italienische Gesundheitssystem von nun an von seiner allerbesten Seite. Ich wurde für die nächsten beiden Wochen fast jeden Tag zu Untersuchungen ins Krankenhaus beordert und bekam schließlich die Diagnose. Krebs. Wenigstens einer, der behandelbar ist und mit dem die Betroffenen teilweise Jahrzehnte leben können.
Am 25. Mai 2016 wurde mir der Tumor während einer Operation entfernt und eine Woche später konnte ich schon wieder nach Hause. Während dieser Zeit waren die anderen Familienbande eine unverzichtbare Hilfe. Meine Eltern sind spontan nach Bologna gekommen und haben mich während und nach dem Krankenhausaufenthalt großartig unterstützt. A. hatte mir drei Tage nach der Operation einen Überraschungsbesuch im Krankenhaus abgestattet, musste aber ansonsten in Rom arbeiten.
Relativ schnell erholte ich mich von der Operation und begann schließlich eine neuartige Therapie mit Medikamenten, die erst vier Jahre vorher zugelassen worden sind und den italienischen Staat jeden Monat fast den Gegenwert eines billigen Kleinwagen kosten. Zur Erklärung: in Italien gibt es keine Krankenkassen, sondern man ist über ein staatliches Gesundheitssystem versichert.
Noch ein paar Wochen später konnte ich auch schon an meinen Arbeitsplatz zurückkehren und noch ein paar Wochen später machten A. und ich dann einen tollen in Urlaub in seiner Heimat Kalabrien. Nachdem ich Anfang 2004 schon mal eine Woche in Neapel verbracht hatte, konnte ich jetzt noch einmal in Italiens Süden abtauchen und dort ein paar schöne Wochen erleben. Und dabei auch eine ganz spezielle Kultur kennenlernen. A. ist nämlich nicht nur Kalabrese, sondern auch Arbëresh. Er gehört einer albanischsprachigen Minderheit an, die sich vor über 500 Jahren in Teilen Süditaliens angesiedelt hatte, um vor der osmanischen Expansion zu flüchten. Und während A. in den langen Jahren, die er in Rom lebt, seinen albanischen Akzent abgelegt hat, hört man in den albanischen Orten Kalabriens deutlich die Sprachfärbung, auch wenn italienisch gesprochen wird. Tatsächlich sprechen die Menschen dort aber immer noch alltäglich ihre antike albanische Sprache, die mit dem heutigen Albanisch, was in Albanien gesprochen wird, nur leidlich kompatibel ist.
Auf und ab
So verliefen die nächsten Monate erst einmal ganz ruhig. Zwar hatte ich einen Krebs, aber den nahm ich erst einmal nicht sonderlich ernst, sondern vertraute ganz auf die Ärzte und meine allgemein gute Verfassung. Die Probleme, die jetzt auf mich zukamen, waren nicht mehr gesundheitlicher Art. Die Rückkehr an meinen Arbeitsplatz lief leider nicht so ab, wie ich es mir vorgestellt hatte. Wirklich willkommen war ich anscheinend nicht mehr. Die Diagnose Krebs hatte offenbar mehr Eindruck auf andere Leute gemacht als auf mich selbst. Es geschahen merkwürdige Dinge und nach einigen Monaten war ich gezwungen, das Kapitel K. ad acta zu legen und mich mit dem Gedanken vertraut zu machen, mich langfristig mal wieder auf die Suche nach einer neuen Perspektive zu machen.
Schön
wäre eine solche Perspektive: Arbeiten, arbeiten, arbeiten, ich
lausche lieber den Meeresweiten
Bevor ich mich aber dem widmen konnte, hatte ich erst einmal viel Zeit, mich um mich selbst zu kümmern und die freie Zeit zu nutzen. Die regelmäßigen Untersuchungen im Krankenhaus ließen sich so auch viel besser organisieren und bestätigten den erfolgreichen Verlauf der Therapie. In den Zeiten zwischen den Untersuchungen häuften sich dann natürlich Reisen, häufiger nach Rom aber gelegentlich auch nach Berlin. Außerdem begann ich wieder, nachdem die Ärzte es mir erlaubt hatten, mein geliebtes Fahrrad in Betrieb zu nehmen oder regelmäßiger die Schwimmbäder zu benutzen. So zog sich das Jahr 2017 hin und im Sommer hatte ich gleich mehrere Highlights. Mit A. erkundeten wir einige Ecken Italiens, die wir noch nicht kannten und im August lud ich, zusammen mit meinen Eltern, die ganze Großfamilie zu einer rauschenden Festwoche in die Toskana ein, wo wir meinen 40. Geburtstag gebührend gefeiert haben.
Bevor ich mich aber dem widmen konnte, hatte ich erst einmal viel Zeit, mich um mich selbst zu kümmern und die freie Zeit zu nutzen. Die regelmäßigen Untersuchungen im Krankenhaus ließen sich so auch viel besser organisieren und bestätigten den erfolgreichen Verlauf der Therapie. In den Zeiten zwischen den Untersuchungen häuften sich dann natürlich Reisen, häufiger nach Rom aber gelegentlich auch nach Berlin. Außerdem begann ich wieder, nachdem die Ärzte es mir erlaubt hatten, mein geliebtes Fahrrad in Betrieb zu nehmen oder regelmäßiger die Schwimmbäder zu benutzen. So zog sich das Jahr 2017 hin und im Sommer hatte ich gleich mehrere Highlights. Mit A. erkundeten wir einige Ecken Italiens, die wir noch nicht kannten und im August lud ich, zusammen mit meinen Eltern, die ganze Großfamilie zu einer rauschenden Festwoche in die Toskana ein, wo wir meinen 40. Geburtstag gebührend gefeiert haben.
Pool, toskanische Grillspezialitäten und eine Geburtstagstorte mit Fiat 500. Eine tolle Woche mit einer tollen Familie.
Obwohl
sich zu dieser Zeit schon bei den letzten Untersuchungen erste
leichte Anzeichen einer nachlassenden Wirkung der Therapie gezeigt
hatten und ich ab September gelegentliche Schmerzen verspürte, die
die Ärzte in Bologna allerdings nicht zuordnen konnten und mit
Schmerzmitteln bekämpften, war mein Sommer noch nicht vorbei. Im
Oktober machte ich meine lang geplante Rundreise durch Portugal und
Spanien, anschließend wollte ich mich dann mal um eine berufliche
Perspektive kümmern. Aber eine Woche nach der Rückkehr nach Bologna
musste ich diese Pläne erst einmal zurückstellen. Mit heftigen
Schmerzen wachte ich mitten in der Nacht auf und glücklicherweise
war A. gerade bei mir und brachte mich sofort zur Notaufnahme. Jetzt
litt ich an einer Darmkrankheit, die mit dem Krebs nichts zu tun
hatte, aber auch nicht gerade auf die leichte Schulter genommen
werden durfte. Im Sant'Orsola
haben
sie mich gleich da behalten und in den nächsten Tagen Therapien
angewandt, um eine Operation am Darm zu vermeiden. Nach zehn Tagen
wurde ich mit der Hoffnung entlassen, dass das Problem sich bald von
allein lösen würde, nachdem die Therapien erfolgreich angewandt
wurden.
Leider
machte sich nun ein anderes Problem bemerkbar, das meine Ärzte
allerdings nicht wirklich würdigten: ich bekam zunehmend Probleme
beim Laufen und Gleichgewichthalten, beim Koordinieren meiner Beine.
Glücklicherweise
hatte meine Onkologin vom Sant'Orsola
aber schon länger eine andere Idee: sie wollte die Therapie ändern
und mich dazu an einen Spezialisten in einer anderen Stadt verweisen,
in meinem Fall war Rom eine passende Alternative. Und gleichzeitig
fing A. an, mich unter Druck zu setzen: er könne nicht ständig nach
Bologna kommen, sich aber in Rom immer um mich kümmern. Dazu käme
die neue Therapie, für die ich eh häufiger nach Rom kommen müsste
und da ich meinen Arbeitsplatz verloren hatte, gäbe es keinen Grund
mehr, in Bologna zu bleiben. Ich musste mir eingestehen, dass er
Recht hatte und das meine so geliebte Unabhängigkeit in Bologna
nicht mehr aufrecht zu erhalten sei und kündigte die Wohnung.
Kurz
vor Weihnachten war ich schließlich beim Spezialisten in Rom, der
mittlerweile mein alleiniger Ansprechpartner geworden ist und sich
engagiert um mich kümmert. Wenn ich Probleme und Fragen habe,
antwortet er mir sogar am Wochenende per Telefon und Whatsapp. Dieser
Arzt, nennen wir ihn C., wurde auch sofort hellhörig, als ich ihm
von meinen Koordinationsschwierigkeiten erzählte. Endlich nahm das
jemand ernst. Im Januar wollte er sich dem Problem widmen, vorher
wollte ich noch Weihnachten in Berlin verbringen. Dort verschlimmerte
sich das Problem noch weiter und es kamen Schmerzen hinzu. Also
wieder zur Notaufnahme. Auch in Berlin wurde ich gleich im
Krankenhaus behalten, man hatte auch das Problem identifiziert: eine
Metastase an der Wirbelsäule wuchs Richtung Rückenmark und war die
Wurzel allen Übels. Eine Operation wäre unmöglich meinten die
Ärzte, da dann eine dauerhafte Querschnittslähmung garantiert sei.
Alternativ wurde beschlossen, eine Strahlentherapie durchzuführen
und die Metastase damit zu bekämpfen. Und ich musste wieder eine
Woche im Krankenhaus verbringen. Über Silvester.
Nach
Ende der Bestrahlungen hatten mir die Ärzte in Berlin schon gesagt,
dass sich erst nach ein bis zwei Monaten zeigen würde, ob die
Behandlung Erfolg hatte. Und da man spontane Ausfallerscheinungen
nicht ausschließen könne, wurde mir auch gleich das Autofahren
verboten. Meine Eltern waren dann so nett, mich mit meinem Auto bei
Schneetreiben über die Alpen nach Rom zu A. zu bringen, wo ich mich
seitdem einquartiert habe.
In
Rom verlor auch C. keine Zeit mehr und machte sich an die nächsten
Untersuchungen. Bis auf die böse Wirbelsäulenmetastase war der
Krebs durchaus unter Kontrolle und man müsse nun abwarten, was die
Bestrahlungen erreicht hatten. Aber es gab auch eine schlechte
Nachricht, die nebenbei rauskam. Das Darmproblem war längst nicht
behoben und musste beseitigt werden, um die Krebstherapie fortsetzen
zu können. Also der nächste Krankenhausaufenthalt. Diesmal in Rom.
Vier
Wochen lang musste ich nun durchhalten und dabei die Operation am 21.
Februar über mich ergehen lassen, die in Bologna noch vermieden
wurde. Aber ich hatte Glück im Unglück. Vor der Operation wurde mir
gesagt, dass es sich möglicherweise nicht vermeiden ließe, einen
künstlichen Darmausgang am Bauch mit Plastebeutelchen zu bekommen.
Ihr könnt Euch vorstellen, wie mir da zu Mute war. Die ersten Worte
nach dem Erwachen nach der Operation vernahm ich von A.: Du hast
keine Beutelchen!
Die
Zeit nach der Operation war wirklich hart, aber A. tat alles, um mich
aufzubauen. Eine tolle Überraschung war auch ein Spontanbesuch von
M. aus Leipzig im Krankenhaus eine Woche nach der Operation.
Zehn
Tage nach dieser Operation, Anfang März, konnte ich das Krankenhaus
verlassen und mich bei A. erholen und von ihm betreuen lassen. Zum
Monatsende war jetzt der Umzug zu meistern und die Wohnung in Bologna
zu übergeben. Schon Ende Januar hatten wir eine neue Wohnung für
mich in Rom gefunden und nun auch den Mietvertrag unterschrieben.
C.
hatte währenddessen neue Untersuchungen an mir vorgenommen und
rückte nun mit der nächsten Hiobsbotschaft heraus: die
Bestrahlungen haben nicht das gewünschte Ergebnis erzielt, aber man
könne die böse Metastase durchaus wegoperieren. Den Umzug ließ er
mich noch durchführen, aber dann würde die nächste Operation
stattfinden. Diesmal an der Wirbelsäule.
Den
Umzug machte ich dann letztendlich unter tatkräftiger Hilfe meiner
Eltern und mit großzügiger Unterstützung meines Bruders am 30.
März.
Ein
paar Tage später ging es wieder ins Krankenhaus und am 11. April
durchlief ich die nächste Operation. C. hatte darauf gedrängt, dass
mich immer nur die besten Chirurgen in die Hände kriegen und diese
Umsicht hatte sich gelohnt. Die Operation ist gut verlaufen und das
Problem behoben. Eine Woche später bekam ich ein „Orthesesystem“,
eine spezielle Stütze für Hals und Wirbelsäule, die es mir
ermöglicht, die Wirbelsäule zu schonen und dennoch aufzustehen und
zu laufen. Noch einen Tag später holte mich A. aus dem Krankenhaus
wieder zu sich nach Hause und jetzt widme ich mich mit täglichen
Spaziergängen, die dramatisch besser verlaufen als vorher, dem
Muskelaufbau. Vier Krankenhausaufenthalte und wenig Bewegung in knapp
sechs Monaten haben meine Muskulatur dramatisch abbauen lassen. Die
Koordinierungsschwierigkeiten sind weg, die allgemeine Schwäche wird
nur durch hartnäckiges Training, erst einmal in Form von
Spaziergängen beseitigt werden. Während ich vor einer Woche über
500 m froh war, schaffe ich mittlerweile 2000 m und besorge auch
schon kleine Erledigungen selbständig.
Besuch von L. und C. aus der Toskana und von A. direkt nach der OP. Mit der Stütze konnte ich nach einer Woche endlich aufstehen. Und noch ein paar Tage später war ich zum ersten Mal in der Saison Eisessen mit A.
Finale
Saluti
Das letzte halbe Jahr hat
mich wirklich mitgenommen und auch jenseits der Operationsnarben
Spuren hinterlassen. Die Unbekümmertheit von früher, die ich auch
noch das erste Jahr nach der Diagnose an den Tag gelegt habe, ist
weg. Aber ich bin optimistisch genug, den Ärzten zu vertrauen, die
mir eine hundertprozentige Wiederherstellung meiner Beweglichkeit
vorhersagen. Und ich merke ja selbst, wie es tagtäglich besser wird.
Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass die Alternative zur Operation
ein stetiges Abgleiten in die Querschnittslähmung war und die
Chirurgen in Berlin eine Operation in meinem Fall für unmöglich
hielten.
Wie geht es weiter? In
wenigen Wochen werde ich auch ohne die Hals- und Wirbelsäulenstütze
auskommen können und dann noch schnellere Fortschritte machen. Dann
werde ich mich auch endlich der Einrichtung meiner neuen Wohnung
widmen und mal sehen, ob der Arbeitsmarkt in Rom mich irgendwie
gebrauchen kann. Irgendwann werden schließlich auch meine Reserven aufgebraucht sein.
Eins jedenfalls steht
fest. So einfach lasse ich mich nicht unterkriegen. Und mit A. und
mit C. habe ich zwei Menschen an meiner Seite, die mich dabei voll
unterstützen werden.
Saluti